Im Gastkommentar gehen Anwalt Georg Zanger und Rechtsanwaltsanwärter David Schwarzenbacher auf die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie ein.

In Österreich haben die Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus innerhalb kürzester Zeit bedeutende Auswirkungen auf das Alltagsleben: Kulturveranstaltungen müssen abgesagt werden. Sportevents finden vor leeren Rängen – oder gar nicht – statt. Wer krank ist oder sich krank fühlt, muss zu Hause bleiben. Aus juristischer Perspektive werfen diese Maßnahmen die Frage auf: Wer hat die wirtschaftlichen Folgen dafür zu tragen?

Auch Schönbrunn hat wegen des Coronavirus seine Pforten geschlossen.
Foto: APA / Herbert Neubauer

Nach einem Blick in das Epidemiegesetz von 1950, auf dem der jüngste Erlass der Bundesregierung beruht, kann diese Frage nur bedingt beantwortet werden. Geregelt ist dort etwa, was passiert, wenn einzelne Betriebe aufgrund staatlicher Maßnahmen geschlossen werden müssen – in solchen Fällen können die Unternehmen eine Entschädigung für ihren Verdienstentgang geltend machen. Die Regierung hat bei ihren Maßnahmen bisher allerdings auf solche "Betriebsschließungen" verzichtet. Auch wenn das jüngst beschlossene Verbot von Indoor-Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern für viele Unternehmen, wie Theater, Museen oder Konzerthäuser, einer De-facto-Schließung gleichkommt, haben diese mangels formeller behördlicher Schließung – zumindest prima vista – wohl keinen Anspruch auf Entschädigung.

Die Schuldfrage

Schadenersatzforderungen, die nicht gegen den Staat gerichtet werden können, werden im Epidemiegesetz nicht behandelt. So gibt dieses keine Auskunft darüber, wie mit Verträgen zwischen Privatpersonen umzugehen ist, die aufgrund der Epidemie nicht mehr – oder nicht mehr auf sinnvolle Weise – erfüllt werden können. Müssen etwa Tickets für nun abgesagte Konzerte vom Kunden bezahlt werden, oder hat der Veranstalter die Kosten dafür allein zu tragen?

Im Vertragsrecht gilt folgender Grundsatz: Wenn ein bereits geschlossener Vertrag nicht erfüllt wird, hat derjenige den "Nichterfüllungsschaden" zu tragen, der die Nichterfüllung verursacht und verschuldet hat. Im geschilderten Fall lässt sich ein "Schuldiger" jedoch nicht festmachen: Denn weder der zur Absage gezwungene Veranstalter noch der enttäuschte Konzertbesucher kann dafür verantwortlich gemacht werden, dass das Konzert nicht stattfindet – "schuld" ist das Coronavirus.

Verträge "zerfallen"

Es liegt ein Ereignis vor, das "höhere Gewalt" darstellt. Wenn die Vertragserfüllung aufgrund eines äußeren Ereignisses nachträglich unmöglich wird, gilt nach den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts, dass der Vertrag "zerfällt". Das bedeutet, dass ausstehende Leistungen nicht mehr erbracht und bereits Geleistetes zurückgezahlt werden muss – die Konzertbesucher können ihr Geld also zurückverlangen. Aus der Sicht des Veranstalters mag dies unbefriedigend sein. Bei näherem Hinsehen erscheint dieser Ansatz aber durchaus sachgerecht: Im Normalfall zieht der Veranstalter den wirtschaftlichen Profit aus dem Konzert, deshalb soll er auch das Risiko einer ausnahmsweisen Absage tragen.

Etwas komplizierter ist die Sache bei Verträgen, die zwar grundsätzlich noch erfüllbar sind, bei denen das Festhalten am Vertrag für eine Partei jedoch aufgrund des Coronavirus nicht mehr sinnvoll ist. Wer für das Wochenende einen Ausflug nach Mailand geplant und dort ein Hotel gebucht hat, könnte diese Reise durchaus antreten. Vernünftig wäre dies aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr jedoch nicht. Das wirft die Frage auf, ob der Kunde den bereits gebuchten Hotelaufenthalt nun kostenfrei stornieren kann.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Tatsächlich ist die einseitige Stornierung von Verträgen – sofern der Vertrag selbst dazu keine Regelung enthält – nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen möglich. Im Gegensatz zum oben erwähnten Konzertveranstalter wäre der Hotelier ja nach wie vor bereit, seine vertraglich vereinbarte Leistung zu erbringen. Aus der Perspektive des Kunden ließe sich lediglich damit argumentieren, dass bei Abschluss des Vertrags mit dem Ausbruch des Virus und der verschärften Lage in Italien nicht zu rechnen war und dass aufgrund dieser gravierenden Änderung der Umstände eine Erfüllung des Vertrags nicht mehr erwartet werden kann.

In der juristischen Lehre wird in diesem Zusammenhang auch von der "Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage" gesprochen. Sie geht davon aus, dass Verträge unter der Bedingung gleichbleibender Umstände geschlossen werden. Allerdings lässt der Oberste Gerichtshof eine Berufung auf diese Lehre nur in seltenen Fällen zu. Ob sie in Zusammenhang mit dem Coronavirus zur Anwendung kommen könnte, erscheint – wie so vieles, das den Virus betrifft – allerdings noch unklar. (Georg Zanger, David Schwarzenbacher, 13.3.2020)