Hans Peter Haselsteiner, von den Neos in den ORF-Stiftungsrat entsandt, arbeitet an der Möglichkeit, den Stiftungsratsvorsitzenden vorzeitig abzulösen – derzeit ist das Norbert Steger (FPÖ): Der Industrielle hat nach STANDARD-Informationen eine Änderung der Geschäftsordnung des obersten ORF-Organs beantragt, die bisher keine Abwahl des Stiftungsratschefs vorsieht.

Der Antrag dürfte in den Reihen der für eine Änderung nötigen ÖVP-nahen Stiftungsratsmehrheit auf Ablehnung stoßen. Rundfunkrechtler Wolfgang Buchner, selbst lange Chef des Gremienbüros, hält eine Neuregelung, wie Haselsteiner sie beantragt hat, für "gesetzwidrig".

Norbert Steger (FPÖ) wurde unter ÖVP-FPÖ bis Ende 2020 zum Vorsitzenden des Stiftungsrats bestellt. Gesetz und Geschäftsordnung sehen bisher keine Abwahl vor.
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Haselsteiners Hebel: Wenn sich die Zusammensetzung des Stiftungsrats während der Funktionsperiode ändert, wie etwa jetzt gerade durch Nationalratswahlen und neue Bundesregierung, dann soll der Vorsitzende des Stiftungsrats neu gewählt werden.

Haselsteiner bestätigt auf Anfrage einen solchen Antrag. "Theoretisch könnte eine Mehrheit oder ein wesentlicher Teil der Mitglieder den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter gar nicht mitgewählt haben", erklärt er seine Initiative. "Das ist natürlich vollkommen undenkbar." Nach seiner Vorstellung soll der Vorsitz neu gewählt werden, wenn mehr als zehn Prozent der 35 Mitglieder – wie nun – auf einmal neu dazustoßen. "Das gebietet die demokratische Legitimierung des Vorsitzenden", sagt Haselsteiner.

Haselsteiner: Nicht "gegen Steger gerichtet"

Hans Peter Haselsteiner (rechts), hier im Bild mit Thomas Zach, dem Sprecher des ÖVP-Freundeskreises im Stiftungsrat.
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Aber der Neos-Stiftungsrat erklärt auch: "Nur ein Schelm denkt daran, dass das gegen Steger gerichtet ist." In seiner Zeit als ORF-Stiftungsrat habe es eine Konstellation wie die aktuelle nicht gegeben, "sonst hätte ich den Antrag schon früher gestellt", sagt Haselsteiner.

Steger fiel vor und in den Monaten nach seiner Bestellung 2018 mit damals neuer ÖVP-FPÖ-Regierungsmehrheit im obersten ORF-Gremium mit Kritik an ORF-Journalisten und Drohungen auf, ihre Budgets zu kürzen. Dem STANDARD erklärte er nach der Wahl 2019, er wolle weiter Stiftungsrat und Vorsitzender bleiben, das bekräftigte er nun auch im "Kurier" – eine Reaktion auf die Forderung von SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer im STANDARD, der von Steger eine Klarstellung über die Anti-GIS-Kampagne der FPÖ verlangte. Der Stiftungsrat sei für Fortbestand oder Abschaffung der GIS nicht zuständig, erklärte Steger dazu im Wesentlichen.

Bisher keine Regeln für Ablöse

Bisher sehen ORF-Gesetz und Geschäftsordnung keine vorzeitige Ablöse oder Regeln dafür vor – im Gegensatz etwa zum ORF-Generaldirektor, der laut Gesetz ausdrücklich mit Zweidrittelmehrheit im Stiftungsrat vorzeitig abzuberufen ist.

Am Dienstag hat die Bundesregierung ihre neun Mandate sowie die sechs der Parteien besetzt, davon sind eine Parteivertreterin der Grünen (Sigrid Pilz) sowie fünf Regierungsräte (Jürgen Beilein, Ruth Strondl, Bernhard Tschrepitsch, Lothar Lockl, Andrea Danmayr) neu – also sechs aus 35, somit 17 Prozent. Offenbar wird unter Stiftungsräten gerade diskutiert, ob das Quorum für eine Neuwahl zehn (Haselsteiner) oder doch 20 Prozent sein dürfte.

Der Antrag stößt nach STANDARD-Infos unter türkisen und anderen Stiftungsräten auf Ablehnung.

"Änderung gesetzwidrig"

Für den renommierten Rundfunkjuristen und langjährigen Administrationschef des ORF, Wolfgang Buchner, wäre eine solche Änderung "gesetzwidrig", erklärt er auf STANDARD-Anfrage. Seine Argumentation:

Das ORF-Gesetz sei "Schranke des Handelns" für die ORF-Organe. Es sehe die Wahl des Vorsitzenden vor, aber keine Abwahl. Das Gesetz sehe hingegen eine Abwahl vor für Stiftungsräte, auch für Direktoren, Landesdirektoren und den Generaldirektor.

Die Regelungen dafür – etwa Zweidrittelmehrheit für die Abwahl des Generals und restriktive Regeln bei Stiftungsräten – "stehen in Zusammenhang mit der verfassungsgesetzlich postulierten Unabhängigkeit der Personen und Organe, die Rundfunkaufgaben besorgen. Die Unabhängigkeit eines Funktionsträgers ist höher, wenn er nicht abberufbar ist. Die Abberufung des Vorsitzenden des Stiftungsrats ist gesetzlich nicht vorgesehen und damit ist seine Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit abgesichert."

"Würde aufgehoben werden"

Im ORF gebe es nach seiner Erinnerung auch schon seit "vielen Jahren" ein Gutachten darüber, das zu denselben Schlüssen komme, "dies auch mit Hinweis auf die gleiche Rechtslage hinsichtlich der Präsidenten des Nationalrats".

Eine solche Änderung der Geschäftsordnung beziehungsweise eine erfolgte Abwahl würden im Falle einer Beschwerde von der Rechtsaufsicht aufgehoben werden. Buchner: "Ich halte diese Rechtsansicht nach wie vor für richtig."

Sitzung vertagt

Der Antrag Haselsteiners stand auf der Tagesordnung für die nächste Sitzung des Stiftungsrats am kommenden Donnerstag. Sie wurde Corona-bedingt auf nach Ostern vertagt.

Thomas Zach, Sprecher des bürgerlichen Freundeskreises im Stiftungsrat, kommentiert den Antrag nur knapp: "Ich glaube, dass der ORF und unser Land vor tatsächlich großen Herausforderungen stehen, und ich sehe keine Zeit für parteipolitische Spielchen."

(Harald Fidler, 13.3.2020)