Ein Grundrauschen ist immer da mit dem Smartphone im Hosensack – auch wenn man versucht, in der Natur abzuschalten.

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Monika Schmiderer ist Autorin, Speakerin und Erfinderin des ersten Digital-Detox-Programms für zu Hause Sie gilt als eine der Initiatorinnen der Digital-Detox-Bewegung.

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Wenn in den vergangenen frühlingshaften Tagen etwa am rauschenden Bächlein die Seele baumelte, kam vermutlich der Kopf oft nicht schnell genug nach. Das hörte sich dann manchmal so an: "Was hast du gerade gesagt, Schatz?"

Dagegen braucht es wohl eine Fertigkeit, deren Bedeutung in der Corona-Krise exponentiell an Wert gewinnt: abschalten zu können, um für das Wesentliche erreichbar zu bleiben. Psychologen wie der Brite Glenn Wilson haben nämlich nachgewiesen, dass sogar der IQ kurzfristig sinkt, wenn man sich permanent Ablenkungsstress ausgesetzt fühlt – etwa weil man ungelesene Nachrichten im Posteingang weiß oder Angst hat, allerlei Neuigkeiten zu verpassen. "Fear of missing out" nennt sich diese Suchtkrankheit.

Blind für den Alltag

In Zeiten von Corona tritt sie wohl noch ein wenig häufiger auf. Der Blick geht schon fast automatisch in immer kürzeren Abständen auf den Bildschirm des Smartphones. Die Folgen: Intensive Nutzer nehmen Dinge des Alltags nicht mehr wahr und können immer schwerer bei der "Sache", also den eigentlichen beruflichen oder privaten Herausforderungen, bleiben. So gesehen müsste Digital Detox, sprich der Entzug von digitalen Geräten, in der Corona-Krise gerade eine neue Konjunktur erleben.

Monika Schmiderer, die als eine der Initiatorinnen der Digital-Detox-Bewegung im deutschsprachigen Raum gilt, meint dazu: "Der Blick über den Bildschirmrand hinaus relativiert tatsächlich viele Dinge. Und es gibt gewisse Phasen im Leben, die eine Schärfung des Blicks für das Wesentliche erfordern. Die Corona-Krise scheint für viele so eine Phase zu sein." Schmiderer rät daher auch oder gerade jetzt zu ganz bewussten Auszeiten vom digitalen Konsum, die man individuell gestalten sollte.

Entgiften ohne Diätplan

Das Problem dabei: Der Begriff Digital Detox erzeugt ein völlig falsches Bild. Wer nur "entgiftet", ohne einen Diätplan für die Zeit nach dem "Handyfasten" zu haben, unternimmt diese Anstrengung völlig umsonst. Von einer einmaligen digitalen Fastenzeit, die danach ohnehin wieder in der Smartphone-Völlerei mündet, hält Schmiderer daher nichts. Sie sieht zwei Möglichkeiten, um die digitale Auszeit sinnstiftend auszufüllen: Entweder man gestaltet sie selbst – etwa draußen mit seinen Liebsten in der Natur –, oder man lässt sich im dafür konzipierten Digital-Detox-Urlaub aktiv dabei unterstützen. Zur letzten Variante kann Schmiderer nicht nur als Expertin etwas sagen, sondern auch als Anbieterin.

Die Selbstdisziplin im Training

Im luxuriösen Ambiente des Tiroler Schlosshotels Fiss unterstützt Schmiderer regelmäßig Gäste bei ihren Bemühungen, dauerhaft sinnvoll mit E-Mails, Social Media und anderen digitalen Räubern von analoger Aufmerksamkeit umzugehen. Die wichtigste Komponente beim "Zimmer mit Anleitung zum Abschalten": das Erreichen digitaler Balance. In einem ersten Schritt soll ein Bewusstsein für die Stressbelastung durch den persönlichen Nutzungsstil digitaler Medien geschaffen werden. In der Folge wird dann gezielt die Selbstdisziplin beim Gebrauch von Smartphones und vergleichbaren Verursachern von Stress trainiert. Das klingt alles etwas hochtrabend. Wäre es nicht ebenso effizient, beim Einchecken an der Rezeption das Handy abzugeben?

"Doch, doch, das kann man schon einmal machen für ein Wochenende. Es ist ein Anfang", sagt Schmiderer. Wer allerdings ein nachhaltiges Ergebnis erzielen wolle, müsse sich für die Zukunft überlegen, womit er die wiedergewonnene Zeit füllt. Schmiderer rät deshalb zum Anlegen einer "analogen Abenteurliste". Auf der könnte derzeit zum Beispiel ganz oben stehen: hören, was die Liebste sagt, und dabei das Funkeln in ihren Augen erkunden – einfaches Multitasking für den Anfang.

Drei aktuelle Herangehensweise für die digitale Diät:

Abstinent im Homeoffice

  • Monika Schmiderer findet in ihrem Buch "Switch off" einen selbstironischen Ton zum Umgang mit der digitalen Entgiftung. Das macht es auch Lesern, die einfachen Ratschlägen skeptisch gegenüberstehen, leichter, darin eine praktikable Anleitung zum Abschalten zu sehen. Das Ganze ist als 14-tägiger Kuraufenthalt in den eigenen vier Wänden aufgebaut, bei dem auch die aktuell angesagte Verschränkung von Arbeitsplatz und Wohnort zur Sprache kommt. Fazit: Selbst im bestens vernetzten Homeoffice muss man mal den Stecker ziehen. (Monika Schmiderer, "Switch off und hol dir dein Leben zurück". € 17,47. Knaur)

Balanceakt am Smartphone

  • Der Begriff der digitalen Balance setzt sich immer mehr gegenüber der Vorstellung einer einmaligen Entgiftung (Detox) durch. Ironischerweise gibt es immer mehr Apps, die die extensive Nutzung von Apps unterbinden und genau diese Balance wiederherstellen sollen. Egal ob sie nun "Bildschirmzeit" wie bei Apple oder "Digitales Wohlbefinden" wie auf Android-Geräten heißen, die strengen Helfer machen alle dasselbe: Nach einer individuell definierbaren Zeit kappen sie die Verbindung zu ebenso persönlich wählbaren Programmchen.

Achtsam rausgehen

  • Die österreichische Tourismuswerbung galt als Pionier bei Digital-Detox-Programmen. Mittlerweile ist man dazu übergegangen, von Angeboten für mehr "Achtsamkeit" zu sprechen. Diese reichen vom Rückzug zum Yoga in den Bergen über bewusst reduzierte Erholung in der Natur bis hin zur Kulinarik: Die hierzulande starke Slow-Food-Bewegung besinnt sich etwa auf ein Mehr an Aufmerksamkeit, die wir unseren Lebensmitteln schenken sollen. Auch das Einigeln beim "Cocoon-Urlaub" in kleinen, feinen Unterkünften ist auf dem Vormarsch. (Sascha Aumüller, 14.3.2020)