Breitet sich das Virus aus wie bisher, könnte es in den Spitälern eng werden. Doch so weit muss es nicht kommen.

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Anrufe bei der Gesundheitshotline, Tests zur Abklärung bei Verdachtsfällen, medizinische Betreuung im Spital – der Bedarf, diese Angebote in Anspruch zu nehmen, steigt und wird in den kommenden Wochen nicht sinken. Berichte von Betroffenen und Berechnungen von Experten legen nahe, dass Institutionen mitunter schon jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Ärztinnen und Pfleger berichten dem STANDARD etwa, dass medizinische Produkte wie Masken in Krankenhäusern zur Mangelware werden. Unter anderem auch deshalb, weil Besucher die Produkte en masse entwenden würden. Das Gesundheitsministerium spricht von einer "Knappheit", was medizinische Produkte und Schutzausrüstungen betrifft. Man sei dabei, die aktuelle Versorgungslage zu ermitteln. Gleichzeitig werden Maßnahmen auf europäischer und innerstaatlicher Ebene geprüft, um Lieferengpässen entgegenzuwirken.

Um bei Bedarf genügend Krankenbetten zur Verfügung zu haben, wird in der Messehalle in der Leopoldstadt seit dem gestrigen Freitag ein Groß-Lazarett vorbereitet.
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Maßnahmen sollen wirken

Aber auch die Infrastruktur könnte betroffen sein. Forscher Stefan Thurner vom Complexity Science Hub (CSH) warnte etwa kürzlich: Würde die Entwicklung so weiterlaufen wie bisher, könnte das Kapazitätslimit an Intensivbetten in Spitälern in Österreich bereits Anfang April erreicht werden. Diese "Maximalabschätzung" sei für Wien zutreffend, bestätigt ein Sprecher des Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ).

Jedoch rechnet die Stadt mit eigenen Modellen, die die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus bereits mitberücksichtigen. Reduziere sich der soziale Kontakt von über 65-Jährigen wesentlich (um 50 Prozent), dann reduziere sich auch die Anzahl der schwer Erkrankten entsprechend, heißt es. Derzeit existieren in Wien 700 sofort aktivierbare Intensivbetten, im Ernstfall werden einzelne Pavillons umfunktioniert. In ganz Österreich stehen laut dem Gesundheitsministerium 2.500 Betten zur Verfügung, davon rund 1.900 für Erwachsene. Am Freitag gab Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bekannt, dass die Messehalle für ein Großlazarett vorbereitet werde. Dies ist zur Betreuung von leichten Verläufen gedacht.

Kein Grund zur Panik

Die mittlerweile ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung gehen in die richtige Richtung, sagt Experte Thurner dem STANDARD. Er appelliert nun an die Bevölkerung, Sozialkontakte "massiv" einzuschränken: Für ein Virus, für das es noch keine Impfung gibt, sei das die einzige Möglichkeit, um aus der "exponentiellen Phase" herauszukommen. Die Reduktion der Kontakte sollte drastisch sein und sich von ungefähr geschätzten 20 bis 200 pro Tag bei normalem Verhalten auf fünf pro Tag reduzieren.

Damit werden naturgemäß nicht nur die Krankheits-, sondern auch die Verdachtsfälle zurückgehen. Bereits jetzt kommt es bei der Hotline 1450 zu Überlastungen, mehrere Personen berichten dem STANDARD, dass sie stundenlang in der Leitung hingen. Doch auch bei den Testungen kommt es zu langen Wartezeiten: "Mir wurde gesagt, dass ich in zwei bis drei Tagen Bescheid bekomme", schildert eine Studentin, die als Verdachtsfall eingestuft wurde.

Anstieg der Anrufe

Insgesamt habe sie während ihrer Quarantäne mehrere Male nachgefragt, ob das Ergebnis schon vorliege, bevor sie nach zwei Wochen informiert wurde, dass sie negativ sei. Eine so lange Wartezeit sei zwar nicht üblich, sagt ein Sprecher der zuständigen MA 15. Er bestätigt aber, dass es seit einigen Tagen zu einem massiven Anstieg der Anrufe gekommen sei. Man habe daher von 90 auf 120 Mitarbeiter aufgestockt.

Es gebe jedenfalls keinen Grund zur Panik, sagt Thurner: Die Chance, die Entwicklung umzukehren, existiere – sofern das richtige Verhalten gesetzt werde: "Es dauert ein wenig, aber es funktioniert. Wir müssen nicht auf eine Situation wie in Italien zusteuern." (Vanessa Gaigg, 13.3.2020)