Die Regierung wirkt mit ihren Maßnahmen ruhig, konzentriert und plausibel. Bundeskanzler Sebastian Kurz kann die positiven Seiten seiner glatten Kommunikationstechnik zum Einsatz bringen: Er erklärt gut, beschönigt nichts (soweit man das beurteilen kann) und weist immer wieder auf die Notwendigkeit hin, die sozialen Kontakte auf ein Minimum zu beschränken.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober vermittelt Kompetenz, Ernsthaftigkeit und Einsatzbereitschaft. Innenminister Karl Nehammer vermeidet allzu martialisches "Grenzen dicht!". Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker vermittelte bärbeißige Kompetenz, deutet aber an, dass Wien sich schon viel früher auf die Situation eingestellt habe als die Bundesregierung.

Nicht auszudenken, wenn das Innenministerium noch mit dem Schießbefehl-Fantasierer Herbert Kickl oder das Gesundheitsministerium noch mit der Königin der Inkompetenz, Beate Hartinger-Klein, besetzt wäre.

In der Messehalle Wien wird ein Lazarett vorbereitet.
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Trotzdem muss ganz grundsätzlich die Frage gestattet sein, ob die ziemlich einschneidenden Maßnahmen der Regierung nicht zu wenig und zu spät waren. Es gibt etliche Experten, vor allem Ärzte, die unter der Hand diese Meinung vertreten. Das reicht vom Vorwurf, es sei zu wenig medizinisches Material (Schutzmasken, Schutzkleidung, Desinfektionsmittel) bestellt worden, bis zu der Frage, ob man nicht nach dem Vorbild Italiens ein paar Tage früher die Schulen hätte schließen, Versammlungsverbote aussprechen etc. sollen.

Dramatische Mittel

Der Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, Wolfgang Weißmüller, zuständig für Spitalsärzte, sprach es am Donnerstag klar aus: "Das öffentliche Leben müsste in Österreich viel mehr eingeschränkt werden – ähnlich wie mittlerweile in Italien. Der Anästhesie-Primar und Buchautor Rudolf Likar ("Im kranken Haus – Ärzte behandeln das Gesundheitssystem") sagt, hier wurde zu spät nachproduziert. Er kritisiert den Föderalismus, der zu verschiedenen Maßnahmen geführt habe, und das Fehlen eines einheitlichen Katastrophenplans. Likar: "Es ist leichter, den roten Knopf zu drücken und das öffentliche Leben runterzufahren, aber hat man auch bedacht, was man mit diesen Restriktionen alles auslöst, wenn man Schulen und die Kindergärten schließt? Für Kinder und Eltern, die keine Versorgung durch Verwandte oder Bekannte haben?"

Allerdings wäre darauf zu entgegnen, dass in einer dramatischen Situation eben auch dramatische Mittel angewendet werden müssen. Es steht fest, dass nur ein drastisches Herunterfahren der "sozialen Kontakte" – vom Kaffeehausbesuch bis zu Hochzeiten – die Ansteckungsrate abflachen kann. Einzelne Wintersportorte müssen nun unter Quarantäne gestellt werden – obwohl schon vor Tagen die bestätigten Fälle in Tirol und Salzburg stark zugenommen hatten und, wie es ein Arzt ausdrückte, die Après-Ski-Piste eine wahre Virenschleuder ist. Nicht undenkbar, dass da aus Rücksicht auf Türkis wählende und spendende Hotellerie und Gastronomie zu lange zugewartet wurde.

Wenn die Regierung bisher wirklich folgenschwere Fehler gemacht hat, dann ist das bisher nicht sichtbar geworden. Alles Weitere wird man in den nächsten Tagen und Wochen besser einschätzen können. (Hans Rauscher, 13.3.2020)