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Schon eine einzige Konzertabsage zieht einen langen Rattenschwanz nach sich. Während das Publikum seine Karten meist noch refundiert bekommt, fallen alle anderen um ihr Geld um: Die Künstler und Veranstalter, deren Mitarbeiter und Partner, Fotografen, Bühnenarbeiter, Catering- und Security-Firmen, bis hin zur Werbebranche.

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Da Wirtschaftskreisläufe auf sozialen Beziehungen basieren, entwickeln sie sich im Krisenfall nicht anders als virale Epidemien: Ansteckung ist auch hier das Problem der Stunde. Der Erlass zur Schließung so gut wie aller öffentlichen Veranstaltungen trifft die Kultur- und Unterhaltungsbranche existenziell.

Schon eine einzige Konzertabsage zieht einen langen Rattenschwanz nach sich. Während das Publikum seine Karten meist noch refundiert bekommt, fallen alle anderen um ihr Geld um: Die Künstler und Veranstalter, deren Mitarbeiter und Partner, Fotografen, Bühnenarbeiter, Catering- und Security-Firmen, bis hin zur Werbebranche, was wiederum Medien in Bedrängnis bringt, also ja, letztlich auch diesen Artikel gefährdet.

"Es ist ein Tsunami, der da auf uns zukommt", warnt Marcus Arige, Sprecher für Kreativwirtschaft des SPÖ-Wirtschaftsverbands Wien. Gerade für die vielen Einpersonenunternehmer (EPU), die die kleinteilig strukturierte Kulturbranche ausmachen, seien Hilfszahlungen notwendig. "Wir haben 2008 um Milliarden Euro Banken gerettet. Jetzt erwarte ich mir auch etwas für die Kleinunternehmer der Kreativbranche!", fordert Arige.

"Wenn die Falschen zugreifen"

Hannes Eder, langjähriger Generalmanager von Universal Music Austria, der sich nunmehr kleineren Projekten widmet, pflichtet dem Ruf nach Hilfspaketen bei. Zwei bis dreistellige Millionenbeträge seien sofort notwendig, sagt er. "Rettungschirme sind aber immer auch gefährlich, wenn die Falschen darauf zugreifen. Ich sage den großen Majorlabels: Helft mit! Die vielgepriesene Vielfalt ist in wenigen Monaten kaputt, die Vielfalt entsteht aus der Indie-Szene."

Diese Vielfalt fand sich gestern auch erstmalig zu einem Krisengipfel bei Kunststaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) ein. Vertreter, Institutionen und Verbände aller Kunstsparten – von Film und Kino über Musik und Bildende Kunst bis Literatur – nahmen daran teil.

Nicht vertreten waren die Bundesmuseen und Bundestheater. Zwar haben auch sie mit Millionenschäden durch entgangene Einnahmen zu kämpfen, allerdings hängen die Staatlichen ohnehin am Subventionstropf des Bundes. Staatsoper, Burgtheater und Volksoper entgehen zusammen 1,3 Millionen Einnahmen pro Woche, man will u. a. auf Kurzarbeit setzen.

In den Museen trifft es die vielen Kulturvermittler (Führer) hart. Sie sind oft nur frei beschäftigt und stehen vor dem Nichts. "Alle Probleme, die schon immer da waren, wie prekäre Beschäftigung, brechen jetzt leider auf", sagt Wolfgang Muchitsch, Chef des Museumsbunds und des Grazer Joanneums, das selbst unter anderem auf Hilfen des Landes Steiermark hofft.

Sinkende Besucherzahlen schon vor Shutdown

Das Belvedere, das Kunsthistorische Museum oder die Albertina, die viele Besucher aus Asien und Italien haben, hatten schon seit Wochen mit Rückgängen von 25 bis 50 Prozent zu kämpfen. Jene Museen, die sehr touristisch geprägt sind, meint Muchitsch, würden die Folgen der Krise wohl auch nach der Schließzeit "noch lange spüren".

Selbiges fürchtet man auch in der Musikbranche: Ewald Tatar, Chef von Barracuda-Music, sieht zwar Österreichs größtes Musikfestival Nova Rock im Juni noch nicht gefährdet, die Vorausplanung für danach sei aber bereits massiv eingeschränkt. Auf Versicherungen könne man sich nur teilweise verlassen, sagt Tatar, die Materie sei äußerst komplex, weil kein vergeichbares Problem je aufgetreten sei.

Nur sehr wenige haben in der Branche Veranstaltungsversicherungen abgeschlossen, die einen Ausfall decken würden. Die im Bausteinprinzip und nach betriebswirtschaftlicher Abwägung wählbaren Risiken sind meist andere, beispielsweise Unwetter oder individuelle Krankheitsfälle. Der Baustein Seuchengefahr wird zwar angeboten, war bislang bei Versicherern aber kein Verkaufsschlager. Höchstens zehn Prozent hätten sich in der Vergangenheit dafür entschieden, sagt Gregor Bitschnau, Konzernsprecher der Uniqa.

Je größer das Event, desto eher versichern sich die Organisatoren gegen Ausfälle. Etwa auch bei Kunstmessen, die bei kurzfristigen Absagen den teilnehmenden Galerien 75 Prozent bereits bezahlter Kosten refundieren. Kleinere Veranstalter, die das Ausfallsrisiko im Vorfeld nicht versicherten, sind jetzt dazu übergegangen, die Formate zu verschieben, um Umsatzausfälle abzufedern.

Hilfstöpfe rasch erschöpft

Abseits eines Maßnahmenpakets, das aktuell auf Regierungsebene verhandelt wird, gibt es auch bestehende "Töpfe", aus denen in der gegenwärtigen Notsituation geschöpft werden kann. Etwa der Künstler-Sozialversicherungsfond (KSVF), der nicht nur Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen selbstständiger Künstler leistet, sondern in besonderen Notfällen auch Beihilfen gewährt. Dafür stehen jährlich 500.000 Euro zur Verfügung, wobei der maximal ausbezahlte Betrag bei 5.000 Euro liegt.

Beantragen können diese Beihilfe Künstler der Kategorie Bildende und Darstellende Kunst, Musik, Literatur, Film- und Multimediakunst sowie interdisziplinäre Kunst mit Hauptwohnsitz in Österreich. Derzeit hält sich die Anzahl der Anträge noch in Grenzen, für eine finanzielle Aufstockung des Fonds würde es einer Gesetzesänderung bedürfen, erklärt KSVF-Geschäftsführerin Bettina Wachermayr.

Regierungsgipfel mit ersten Ideen

Auch die "Bildrecht" als österreichische Urheberrechtsgesellschaft für Bildende Kunst, Architektur, Fotografie, Grafik, Illustration, Design, Choreografie und Performance, hilft in "sozialen Härtefällen" aus. Bislang war das entsprechend den gesetzlichen Vorgaben nur den Mitgliedern (rund 5300) vorbehalten, nun führe man Gespräche mit dem Ministerium, berichtet Geschäftsleiter Günter Schönberger. Seiner Meinung nach dürfe man jetzt nicht sparen: "Das in den nächsten Wochen und Monaten investierte Geld kommt zurück – andernfalls wird hier eine ganze Branche vernichtet".

Am Regierungsgipfel mit Vertetern der Kulturbranche, zu dem Staatssekretärin Lunacek geladen hatte, kam es vorerst nur zu kleineren Zusagen: Man sprach über Ratenzahlungen bei Sozialversicherungsbeiträgen, um einen Kultur-Katastrophenfonds der Verwertungsgesellschaften und um Stundungen von Mietzahlungen von Kinobetreibern. : "Es geht an die Existenz!", bekannte Lunacek. Weitere Gipfel werde es geben, aber "in virtueller Runde". (Stefan Weiss, Olga Kronsteiner,14.3.2020)