Der Abstieg New Yorks in die Coronavirus Krise ist mit atemberaubender Geschwindigkeit vor sich gegangen. Erst vor knapp zwei Wochen schrieb die New York Times über den ersten bestätigten Fall einer Infektion in der Stadt. Es handelte sich um eine Frau, die aus dem Iran eingereist war, und gleich unter Quarantäne gestellt wurde. Bis dahin hatte man über die Ausbreitung der Krankheit auf anderen Kontinenten, auf Kreuzfahrtschiffen in Kalifornien oder in der Gegend von Seattle berichtet. Alles in allem schien die Bedrohung in sicherer Distanz zu sein.

Das änderte sich schlagartig Anfang März, als der zweite Fall auftauchte, der die Krise plötzlich überraschend nahe heranrückte. Ein 50-jähriger Mann, der in dem New Yorker Vorort New Rochelle in Westchester County lebt, wurde positiv getestet. Er hatte keine Reisen in den vergangenen Wochen gemacht, musste sich also hier angesteckt haben. Er fuhr jeden Tag mit einem der vielen Pendlerzüge nach Midtown Manhattan, wo er in einer Anwaltskanzlei arbeitete. In den vollen Zügen muss der Mann jeden Tag neben hunderten Fahrgästen gesessen haben. Diese Züge fahren in den Grand Central Terminal ein, in dem zur Rush-Hour unfassbare Menschenmengen aufeinander treffen. Ein idealer Ausbreitungsort für das Virus.

New Yorker Subway während der Rush-Hour.
Foto: Stella Schuhmacher
Verhaltensanweisungen in der Subway.
Foto: Stella Schuhmacher

Es stellte sich heraus, dass der Mann Mitglied einer Synagoge war, in der sich das Virus durch Veranstaltungen rasend schnell ausgebreitet hatte. Plötzlich gab es Dutzende Infizierte in dem Vorort, der nur wenige Meilen außerhalb der Stadt liegt. Seit ein paar Tagen wurde rund um diese Synagoge und den Ort New Rochelle eine Sperrzone gezogen. Die National Guard überwacht die Einhaltung und verteilt Essen und Medikamente. Mittlerweile ist die Zahl der Infizierten in New Rochelle auf 196 angestiegen.

Auch in der acht Millionen Stadt New York, in der die Menschen auf engstem Raum zusammenleben, breitet sich das Virus nun rasant aus. Am Freitagnachmittag der vergangenen Woche, dem 13. März, gab es im Staat New York 421 bestätigte Corona-Infektionen, davon 154 in der Stadt, das Dreifache vom Mittwoch. Der Gouverneur Andrew M. Cuomo schätzte die tatsächliche Zahl der Infizierten wesentlich höher: "My guess is there are thousands and thousands of cases walking around the state of New York." Am Sonntag stieg die offizielle Zahl der Infizierten im Bundesstaat New York auf 729 und auf 329 in der Stadt.

Titelseite der Zeitschrift "The New Yorker", 9. März.
Foto: Stella Schuhmacher

Mangel an Tests

Immer wieder hört und liest man darüber, dass Tests nicht durchgeführt werden, nicht vorhanden sind oder man auf Testresultate tagelang warten muss. Von effizientem Contact Tracing kann bis heute keine Rede sein, wenn man den Berichten Betroffener glaubt. Eine Freundin beispielsweise, die ganz in der Nähe von New Rochelle lebt, ging letzte Woche mit Fieber und Husten zum Arzt. Es wurden ihr ein paar Screening Fragen gestellt und daraufhin entschieden, keinen Coronavirus Test durchzuführen. Sie wurde mit einem Antibiotikum wieder nach Hause geschickt.

"The system is not really geared to what we need right now, what you are asking for. That is a failing", sagte Dr. Anthony S. Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases am National Institutes for Health, in einer Anhörung im US-Kongress am vergangenen Donnerstag über die Verfügbarkeit von Test Kits. "It is a failing. I mean, let’s admit it". Er fügte hinzu: "The idea of anybody getting it easily the way people in other countries are doing it, we are not set up for that." Die Test Kits sind in den USA einfach nicht vorhanden.

Vor einer New Yorker Bar
Foto: Stella Schuhmacher

Kultureinrichtungen schließen

Am Donnerstag überschlugen sich dann die Ereignisse. Der Gouverneur von New York State, Andrew M. Cuomo, und der New Yorker Bürgermeister, Bill de Blasio, verhängten ein Verbot für Veranstaltungen mit mehr als 500 Personen. Kleinere Veranstaltungen müssen zukünftig ihre Besucherzahlen halbieren. In der Folge gaben die wichtigsten New Yorker Kultureinrichtungen ihre Schließungen bekannt, wie zum Beispiel das Metropolitan Museum of Art, Metropolitan Opera, Carnegie Hall und New York Philharmonic. Am Donnerstagabend schlossen dann auch die Theater am Broadway ihre Türen. Für zumindest die nächsten 32 Tage wird es hier weder Musical- noch Theateraufführungen geben. Nicht einmal 9/11 hatte zu einer so langen Schließung der berühmten Theater geführt. Die Privatschulen und Universitäten der Stadt sind geschlossen oder haben auf Online Learning umgestellt. Und auch das öffentliche Schulsystem, das mit 1,1 Millionen Schülern und 1.800 Schulen das größte des Landes ist, wurde am Sonntagabend bis zum 20. April geschlossen.

Leere Regale
Stella Schuhmacher
Manche New Yorker benützen statt der Subway Fahrräder.
Stella Schuhmacher

AUA Direktflüge gestrichen

Normalerweise fliegt Austrian Airlines täglich zwei non-stop Flüge von New York nach Wien, einen vom Flughafen Newark, den anderen von JFK aus. In den nächsten Wochen werden diese direkten Flüge nach Österreich an den meisten Tagen nicht angeboten. Die hoffentlich nur temporäre Unterbrechung des bei Expats beliebten "Wienshuttles" hat allerdings hohe Symbolkraft. Die einzige direkte Flugverbindung Wien-New York gibt es nicht mehr. Kontinente und Länder schotten sich zur Bewältigung der Krise voneinander ab. Und auch wir Menschen müssen uns alle voneinander fernhalten, Sozialkontakte minimieren, zu Hause bleiben. (Stella Schuhmacher, 16.3.2020)

Aufruf

Liebe Leserinnen und Leser in den USA! Wir geht es Ihnen? Welche Erfahrungen machen Sie in Zeiten des Coronavirus? Wie gehen Sie mit der Krise um? Ich freue mich, von Ihnen im Forum zu lesen. Oder schicken Sie mir Ihre Erfahrungsberichte oder Fotos an stellaschuhmacher@hotmail.com. Bleiben Sie gesund!

Weitere Beiträge der Bloggerin