Kanzler Sebastian Kurz während einer Sondersitzung des Nationalrates zum Thema Coronavirus am vergangenen Sonntag.

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Was das Parlament gegen das Coronavirus beschlossen hat, greift massiv in unser aller Alltag ein. Ausgangsbeschränkungen, alle Lokale und viele Geschäfte geschlossen, keine Versammlungen. Die Polizei kontrolliert auf den Straßen; es gibt hohe Strafen. Die Maßnahmen stellen Freiheitsrechte infrage, die teils über Jahrhunderte hinweg mühsam errungen worden sind. Mit einem Schlag sind diese Rechte nun ausgehebelt, wegen ein paar RNA-Molekülen. Der Staat lässt uns seine Macht als Obrigkeit spüren, wie man das in Österreich zuletzt kaum kannte.

Dennoch ist es richtig, dass die Bundesregierung mit noch härteren Maßnahmen als zuletzt reagiert. Der Anlass für die Verschärfungen ist nicht die Zahl der Infizierten. Sie werden zwar immer mehr, steigen aber im berechneten Tempo. Auch ist es nicht die Sorge um die Lebensmittelversorgung. Nach den zahlreichen Hamsterkäufen waren die Regale in vielen Supermärkten am nächsten Tag wieder gut gefüllt; das Bundesheer hilft im Hintergrund.

Mahnende Appelle verhallten

Der Anlass ist vielmehr ein anderer: Denn bei vielen, zu vielen Menschen verhallten die mahnenden Appelle ungehört, die sozialen Kontakte auf das Nötigste zu beschränken. Es sind jene Menschen, die sich am Samstag beim Shopping durch die Wiener Mariahilfer Straße drängten. Die das schöne Wetter nutzten, um in großen Sitzgruppen im Volksgarten ein Picknick zu machen. Die sich im Kaffeehaus zu ihren üblichen Sonntagsrunden trafen und auf Sportplätzen Fußball spielten. Beim Heurigen mit der Familie und Freunden Geburtstag zu feiern ist natürlich ein schönes Erlebnis – doch in diesen Tagen kann es für manche tödlich enden.

Der Kanzler verschärfte daher seinen Ton: "Das Virus wird Krankheit, Leid und Tod für viele Menschen in unserem Land bedeuten." Wer das hörte oder las, konnte sich schon erschrecken. Und vermutlich war das genau der gewünschte Effekt. Sebastian Kurz wollte wachrütteln, damit alle endlich den Ernst der Lage erkennen. Und so Verständnis für jene Gesetze erreichen, die nun dafür sorgen sollen, dass seine Appelle nicht mehr verhallen.

Starke Nerven

Für die allermeisten verläuft die Krankheit nicht besonders dramatisch, für Kranke und Ältere hingegen manchmal schon. Wer die Berichte von Ärzten aus Italien liest, die um das Leben der Erkrankten kämpfen, braucht starke Nerven.

In anderen Ländern, die schnell reagiert haben, geht es langsam bergauf. Südkorea meldet inzwischen, dass die Zahl der täglich erfassten Corona-Infektionen erstmals seit mehr als drei Wochen auf unter 100 zurückgegangen ist. Das gibt Hoffnung, dass all die Herausforderungen, die wir in den nächsten Wochen meistern müssen, dazu führen können, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. So können wir erreichen, dass es stets genug Betten in den Krankenhäusern für jene Mitmenschen gibt, die das Virus in Lebensgefahr bringt.

Schutz für die Verletzlichsten

Als demokratische Gesellschaft legen wir uns selbst Einschränkungen auf, um die Verletzlichsten unter uns zu schützen. Als Mensch, der die Freiheit liebt, muss man nun ertragen, eine Zeitlang auf einige seiner Freiheitsrechte zu verzichten. Immerhin geht es um unser höchstes Gut: das Leben. Das ist jede Mühe wert.

(Und wenn die Corona-Krise dann vorbei ist, muss es ja wohl selbstverständlich sein, dass wir all unsere Freiheiten wiederbekommen.) (Martin Kotynek, 15.3.2020)