Seit mehr als einem Jahr steckt Israel in einem politischen Patt, auch die dritte Parlamentswahl binnen eines Jahres hatte ohne klaren Sieger geendet. Weder Benjamin Netanjahus rechts-religiöser Block noch Benny Gantz' Mitte-Bündnis verfügten bisher über eine Mehrheit. Am Montag hat Staatspräsident Reuven Rivlin nun den oppositionellen Ex-Militärchef Gantz mit der Regierungsbildung beauftragt. Er hat dafür zunächst 28 Tage Zeit.

Am Montag hat Staatspräsident Reuven Rivlin (rechts) Benny Gantz mit der Regierungsbildung beauftragt.
Foto: EPA/ABIR SULTAN

Die Likud-Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Netanjahu war zwar bei der vergangenen Parlamentswahl am 2. März stärkste Fraktion geworden, mit 36 von 120 Sitzen. Allerdings verfehlte das rechts-religiöse Lager um den Likud mit 58 Sitzen die Regierungsmehrheit. Das Mitte-Bündnis Blau-Weiß kam auf 33 Sitze, und Gantz erhielt am Sonntag von 61 Abgeordneten die Empfehlung zur Regierungsbildung.

Das bedeutet aber nicht automatisch, dass er eine Mehrheit hat, um eine Koalition zu schmieden. Denn Gantz lehnt eine Aufnahme der Vereinigten Arabischen Liste, mit 15 Sitzen drittstärkste Kraft, in eine Koalition ab.

Notstandsregierung in Erwägung

Netanjahu bekräftigte am Sonntag einen Aufruf zur Bildung einer Notstandsregierung mit Blau-Weiß, mit einer Rotation im Amt des Ministerpräsidenten. Als Grund nannte er die Ausbreitung des Coronavirus.

Gantz hatte sich bereits grundsätzlich zu einer Notstandsregierung bereiterklärt, zweifelte jedoch Netanjahus Ernsthaftigkeit an. Bisher war er auch wegen einer Korruptionsanklage gegen den bisherigen Regierungschef nicht zu einem Bündnis mit der Likud-Partei bereit gewesen – solange Netanjahu an der Spitze steht. Der eigentlich für Dienstag angesetzte Beginn des Korruptionsprozesses gegen den 70-jährigen Netanjahu ist nun wegen der Corona-Krise um zwei Monate verschoben worden. (red, 16.3.2020)