Wo Wohnungsübergaben stattfinden, gibt es derzeit besondere Regeln zur Risikominimierung.

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Ein Umzug ist schon unter normalen Bedingungen nervenaufreibend. Zum Albtraum wird der Wohnungswechsel aber, wenn ihm das Coronavirus und die damit einhergehenden Beschränkungen des täglichen Lebens in die Quere kommen.

Umzugsunternehmen dürfen – zumindest derzeit noch – arbeiten. Es herrsche aber auch unter den Unternehmern eine große Unsicherheit, heißt es vonseiten der Wirtschaftskammer zum STANDARD.

Zum Graubereich wird die Sache, wenn beim Umzug kein professionelles Unternehmen, sondern Freunde und Familie mit anpacken sollen. Allerdings: "Wenn der Mietvertrag abläuft, ist die neue Wohnung ja lebensnotwendig, um die geltenden Ausgangsbeschränkungen einzuhalten", führt Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer (AK), ins Treffen. Zudem darf die Wohnung ja derzeit unter anderem deshalb verlassen werden, um anderen Personen zu helfen, "das könnte man schon darauf ummünzen".

Problem der Befristungen

Dort, wo es möglich ist, werden Umzüge derzeit allerdings ohnehin verschoben. Ein großes Problem sehen Mieterschützer in bisher fehlenden rechtlichen Klarstellungen zu auslaufenden Mietverträgen. "In den nächsten Monaten sind unglaublich viele Mieter von diesen Unsicherheiten bedroht", sagt Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband. Denn schon seit einigen Jahren werden viele Mietverträge nur noch befristet vergeben. Kirnbauer fordert vom Gesetzgeber, eine allgemeine Fristhemmung sofort zu beschließen.

Betroffene Mieter, die noch keine neue Wohnung gefunden haben, sollten nun versuchen, sich mit ihrem Vermieter zu einigen. Das rät auch die Juristin Elke Hanel-Torsch von der Mietervereinigung. Denn selbst wenn es für die Wohnung bereits einen Nachmieter gibt, so ist es aktuell eher unwahrscheinlich, dass er oder sie demnächst einzieht.

Auch wenn es keine Einigung mit dem Vermieter gibt, sollte man nicht sofort die Kisten packen, sind sich die Juristen einig. Wer trotz ausgelaufenen Mietvertrags in der Wohnung bleibt, gegen den wird der Vermieter eine Räumungsklage einbringen, eigenmächtig tätig darf er nicht werden. Bis die Klage durch ist und das Räumungsurteil rechtswirksam, vergehen immerhin einige Monate.

Die Neos haben interessanterweise schon Ende Februar einen Antrag im Parlament eingebracht, der die Einräumung einer gültigen Räumungsnachfrist nach Ablauf eines befristeten Mietvertrags zum Ziel hat. Eine solche Möglichkeit für einen kurzen Zeitraum zu schaffen sei "lebensnah und hilft beiden Parteien", heißt es darin.

Keine Delogierungen

Mieterschützer Kirnbauer fordert auch eine Klarstellung des Justizministeriums, dass Delogierungen auszusetzen sind – eine Maßnahme, die beispielsweise in Frankreich bereits ergriffen wurde. Auch Manfred Haimbuchner (FPÖ), Wohnbaureferent und Landeshauptmann-Stellvertreter in Oberösterreich, kündigte vor wenigen Tagen an, dass gerichtlich angesetzte Delogierungen in Oberösterreich nicht stattfinden werden.

Bei der gemeinnützigen WBV-GPA in Wien werden diese aktuell ebenso ausgesetzt. "Wir treiben im Moment auch keine Mieten ein", sagt Geschäftsführer Michael Gehbauer. Auch beim größten Vermieter des Landes, Wiener Wohnen, werden aktuell keine Delogierungen durchgeführt.

Elke Hanel-Torsch von der Mietervereinigung geht aktuell allgemein nicht davon aus, dass Delogierungen durchgeführt werden. "Selbst wenn der Räumungstitel schon da ist, ist die derzeitige Lage sicher ein Grund für einen Aufschub", sagt sie. Auch praktisch seien Delogierungen wohl derzeit eher schwer durchzuführen – im Normalfall braucht man dafür einen Schlosser und ein Speditionsunternehmen. Oftmals seien auch Anwälte anwesend.

Wohnungsübergaben und Besichtigungen

Anstehende Termine für Wohnungsrücknahmen und neue Vertragsabschlüsse werden bei Wiener Wohnen – dort, wo das möglich ist – verschoben. "Im Ausnahmefall", also etwa bei drohender Obdachlosigkeit oder in anderen Härtesituationen, würden aber auch jetzt Mietverträge abgeschlossen.

"Es gibt Wohnungsübergaben, die notwendig sind", sagt man auch beim Immobiliendienstleister EHL Immobilien. Allerdings seien die Mitarbeiter angewiesen, dies in einer Form zu machen, "die risikominimierend ist", also beispielsweise ohne Händeschütteln und direkte Schlüsselübergabe.

Wohnungsbesichtigungen finden derzeit so gut wie nicht statt. Der Wiener Makler Michael Pfeifer hat sie von sich aus gestoppt, "weil die Leute ohnehin entweder kurz vorher abgesagt haben oder erst gar nicht aufgetaucht sind".

Zunächst wurden die Anfragen mehr

Das ist aber erst seit der Ankündigung der Ausgangsbeschränkungen seitens der Regierung so, sagt Pfeifer dem STANDARD. Davor trudelten noch zahlreiche Anfragen ein, "denn zunächst dachten die Leute sich wohl: 'Jetzt habe ich Zeit, um Wohnungen anzuschauen.'" Auch bei Otto-Immobilien berichtet man von "ziemlich hohem Traffic" auf der Homepage.

Dabei dürfte es vorerst bleiben. "Niemand will derzeit eine Wohnung kaufen", so Pfeifer, es herrsche eine gewisse Endzeitstimmung. Pfeifer kann derzeit auch keine Gutachten schreiben, weil dafür nötige Dokumente aus den Ämtern oft nicht verfügbar sind. "Wir überlegen jetzt auch, Kurzarbeit anzumelden." (Martin Putschögl, Franziska Zoidl, 17.3.2020)