Man kennt es aus dem Radsport, dem Ski-Sport, der Leichtathletik – das Dopingmittel Epo. Seine Leistungssteigerung im Ausdauersport verdankt das Hormon, das mit vollem Namen Erythropoetin heißt, vor allem seiner Wirkung, die Produktion roter Blutkörperchen (Erythrozyten) anzuregen. Durch die verbesserte Sauerstoffversorgung von Muskeln und Organen kann der Körper mit den extremen Bedingungen des Leistungssports besser umgehen.

Richard Virenque, Lance Armstrong und Jan Ullrich (v. li.) bei der Tour de France im Juli 2000. Alle drei Radsportler wurden später des Dopings, unter anderem mit Epo, überführt.
Foto: AFP/Patrick Kovarik

Auch ganz ohne Doping wird Epo vom Körper selbst hergestellt. Darüber hinaus wurde es schon vor seinem Einsatz im Spitzensport als Therapeutikum genutzt. Es hilft Dialysepatienten, dem Blutverlust entgegenzuwirken, und hat sogar positive Ergebnisse in der Behandlung von Schlaganfällen gezeigt. Auch für Depressionen, Schizophrenie und Multiple Sklerose gibt es experimentelle Therapieansätze mit Erythropoetin.

Hormon vernetzt Gehirnzellen

Unklar ist jedoch, welche Wirkung Epo im Gehirn hat und ob diese sich allein durch die erhöhte Sauerstoffzufuhr erklären lässt. In Versuchstieren wurden verbesserte kognitive Fähigkeiten festgestellt. Eine aktuelle Studie am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen hat dazu neue Erkenntnisse präsentiert.

Die Wissenschafter untersuchten den Hippocampus bei Mäusen, einen Bereich im Gehirn, der eine besondere Bedeutung für Lernen und Gedächtnis hat. Nach der Behandlung mit Epo hatten die Mäuse eine größere Anzahl neu gebildeter Gehirnzellen, und diese waren auch besser vernetzt. Die neuen Zellen wurden aus Vorläuferzellen rekrutiert, die bereits im Gehirn vorhanden sind und sich schnell zu fertigen Nervenzellen umwandeln können.

Blick ins Mäusegehirn: Epo lässt Gehirnzellen wachsen.
Foto: MPI für Psychiatrie

Die Forscher ließen die Mäuse außerdem auf Laufrädern laufen, bei denen einzelne Sprossen nach zufälligem Muster fehlten. Diese Aufgabe erfordert Aufmerksamkeit und koordinierte Bewegungsabläufe. Beim Erlernen dieser Tätigkeit ließ sich eine erhöhte Menge von körpereigenem Epo und des dazugehörigen Rezeptors messen.

Sauerstoffmangel durch Nachdenken

Die Wissenschafter um Studienleiterin Hannelore Ehrenreich vermuteten, dass die erhöhte Gehirnaktivität durch die geistig anspruchsvolle Aufgabe zu einem kurzfristigen Sauerstoffmangel im entsprechenden Gehirnareal führen würde, was durch die Ausschüttung des Wachstumshormons Epo und die Stimulation neuer Vernetzungen kompensiert werden soll. Tatsächlich war der Lernerfolg sogar höher, ließ man die Tiere zusätzlich unter sauerstoffarmen Bedingungen laufen.

Epo kurbelt also die Bildung neuer Gehirnzellen als Reaktion auf den erhöhten Sauerstoffverbrauch an. Die Ergebnisse zeigen demnach, wie eine Lernherausforderung die geistigen Fähigkeiten verbessern kann. "Ein ähnlicher Effekt wird bei Kranken durch die Verabreichung von zusätzlichem Epo erzielt", beschreibt Ehrenreich potenzielle Therapiemöglichkeiten. (Friederike Schlumm, 23.3.2020)