Wer öfters im Netz shoppt, kommt an der Werbung auf Facebook oder Google kaum vorbei. Die Plattform wish.com lockt mit einer schier endlosen Auswahl an Produkten, von denen viele zu Tiefstpreisen angeboten werden. Von Mode über Küchenartikel bis hin zu Elektronik-Gadgets ist dort scheinbar alles zu finden. Auch manche Produkte, die so manchen Markenprodukten erstaunlich ähnlich sehen, wie zahlreiche Vergleichsvideos auf Youtube belegen.

Mittlerweile genießt Wish enorme Bekanntheit, aber auch den Ruf als "Grabbelkiste" des Internets. DER STANDARD hat mit Daniela Engel über den Status quo und die Pläne der Plattform für 2020 gesprochen. Sie leitet das Europageschäft des Unternehmens.

Ein Ausschnitt aus dem Wish-Sortiment.
Foto: Screenshot

Mehr Markenanbieter

"Am Ende geht es um ein gutes Angebot", sagt Engel zum "Grabbelkisten"-Vergleich. Man habe viele "sehr, sehr günstige" Produkte. Verstärkt würden aber auch Markenanbieter ihren Weg zu Wish finden, die etwa Waren der Vorsaison, B-Ware und teilweise auch Neues dort anbieten. Ein Fokus, den man in nächster Zeit noch verstärken will. In Zukunft möchte man mehr namhafte Unternehmen für Wish gewinnen und sich auch stärker um lokale Anbieter bemühen.

In Europa sind laut Engel bereits mehr als tausend Händler tätig. Auch in Latein- und Nordamerika will man mehr regionale Offerten. Der allergrößte Teil der Waren, gesteht Engel ein, kommt aber nach wie vor aus China.

"Wollen keine Fake-Produkte"

Entscheidend für die Attraktivität für etablierte Marken wird auch der Umgang mit Produktfälschungen sein. Eine Problematik, die in Zusammenhang mit Wish immer wieder Thema wird. Das Unternehmen hat für diese Belange ein eigenes Team im Einsatz, erklärt Engel. Taucht ein Produkt auf, das eine Fälschung ist, können sich betroffene Anbieter melden.

Wird ein Nachweis erbracht, dass man der Anbieter des Originals ist, wird das Angebot entfernt, und dem Händler auf Wish drohen Konsequenzen. Dass immer wieder Imitate auftauchen, sei absolut nicht erwünscht, sagt Engel: "Wir wollen keine Fake-Produkte auf der Plattform haben."

"Großzügiger" Support bei Betrug

Ein anderer Grund für Ärgernisse sind auch manipulierte Produkte. So bieten etwa Händler auf Wish Grafikkarten an, die im Vergleich zum regulären Handel massiv verbilligt wirken. Etwa eine GTX 1060 von Nvidia um 60 Euro statt des üblichen Preises von 200 Euro aufwärts. Die Käufer erhalten in der Regel aber eine Karte, die sich gegenüber dem PC zwar als das ausgeschriebene Modell ausgibt, aber eigentlich eine viel ältere Karte ist. Das führt im Betrieb dann zu diversen Problemen.

"Wir verstehen uns als Plattform", meint Engel dazu. Man mache auch keine Produktstichproben, zumal auf Wish mittlerweile mehr als 180 Millionen Angebote zu finden sind. Allerdings betreibt man Monitoring beim Kundenservice. Kommen zu einem Artikel vermehrt Beschwerden rein, setzt man sich im Detail mit der Situation auseinander. Zudem habe man für solche Fälle oder auch Produktmängel eine "großzügige Rückerstattungs-Policy". Für den Kundenservice gibt es lokale Teams, um den Kontakt in allen Sprachen der bedienten Länder zu ermöglichen.

Bewertungs-Monitoring

"Wir hoffen auch auf die Teilnahme unserer Community, wenn etwas nicht stimmt", so die Managerin weiter. Damit meint sie die Bewertungsfunktion, über die Kunden Sterne-Bewertungen und Rezensionen hinterlassen können. Über 450.000 Einträge werden hier pro Tag verfasst. Fallen Produkte mit vermehrt schlechten Wertungen auf, wird näher untersucht.

Händlern, die sich nicht an die Richtlinien halten, drohen Strafen. Dabei geht es nicht nur um die Entfernung von Angeboten, Verwarnungen und Sperrung, auch Bußgelder sind festgelegt, wenn jemand nicht nach den Regeln spielt. Ob Wish jemals darüber hinaus rechtlich gegen einen Anbieter vorgegangen ist, konnte man allerdings auch auf Nachfrage nicht beantworten.

Daniela Engel leitet das Europageschäft von Wish.
Foto: Wish

Lagerplatz und bezahlte Angebote

Für die eigenen Händler liefert die in San Francisco gegründete Plattform jedenfalls ein recht umfangreiches Paket. Neben dem Shop wickelt man auch den Kundensupport und die Zahlung ab. Bei letzterem Aspekt arbeitet man mit verschiedenen Anbietern zusammen – in Österreich ist das unter anderem Klarna. Optional können Händler auch "Fulfillment by Wish" buchen. Dann werden ihre Waren in Lagerhäuser in den USA und Europa eingebucht, was deutlich kürzere Lieferzeiten erlaubt. Denn viele Sendungen aus China sind mitunter mehrere Wochen unterwegs. Gerade aktuell müssen Kunden aufgrund der Coronavirus-Krise mit Verzögerungen rechnen. Dies kommuniziere man auch auf allen Kanälen.

Ebenso können Anbieter sich auch bessere Platzierungen ihrer Angebote – analog etwa zu Amazon – erkaufen. Diese werden auf der Seite auch als Werbeplatzierung ausgewiesen.

Noch kaum Klimamaßnahmen

In Sachen Klimaschutz fehlt es noch an umfangreicheren Maßnahmen. Werden Artikel aus einer Bestellung aus den eigenen Lagerhäusern verschickt, versucht man aber, diese nach Möglichkeit in einer Lieferung zu bündeln.

Herzeigbare Maßnahmen in Sachen Arbeitsrecht fehlen. Anbieter müssen vorgegebene Richtlinien einhalten, die auch der Gesetzeslage im jeweiligen Land Rechnung tragen. Bei Zuwiderhandeln drohen wiederum Strafen. Wish selbst kontrolliert allerdings die Einhaltung nicht.

Österreichische Kundschaft ist männlicher

Bei den Käufen gibt es seitens der Nutzer eine klare Tendenz hin zu kleineren Bestellungen mit geringem Warenwert. Dennoch finden sich auf Wish durchaus auch Produkte im drei- bis vierstelligen Preisbereich. Global gesehen stellen Frauen mit 60 Prozent die Mehrheit der Kundschaft.

Der österreichische Markt ist hier anders. Hier bilanzieren die Geschlechter etwa mit halbe-halbe, fast die Hälfte der Kunden sind unter 35 Jahre alt. In Europa sind Deutschland und Frankreich die bedeutendsten Märkte. Im internationalen Vergleich spielt Österreich aber in den Top 20 mit.

Niedrigpreise sollen trotz Zolländerungen bleiben

Abseits der Corona-Krise kommen auf Wish weitere Herausforderungen zu, denn ab 2021 wird der Zollfreibetrag von 22 Euro fallen. Dann wird auf Warensendungen aus Drittstaaten ohne entsprechendes Handelsabkommen bereits ab dem ersten Cent Einfuhrumsatzsteuer verrechnet. Das könnte gerade dem Geschäft mit günstigen Gadgets empfindlich wehtun.

Man habe hier bereits mehrere Schritte in Vorbereitung, damit Bestellprozess und Steuerabwicklung zum Stichtag hundertprozentig gesetzeskonform seien, sagt Engel. Erfahrung hat man damit schon, denn einzelne Länder haben den Freibetrag bereits abgeschafft.

Verschiedene chinesische Elektronikhändler wie etwa Gearbest haben in den letzten Jahren zahlreiche Lagerflächen in der EU angemietet. Produkte, die aus dem dort befindlichen Sortiment bestellt werden, sind etwas teurer, dafür sparen sich Besteller jegliches Zollprozedere und erhalten ihre Sendungen schon binnen weniger Tage. Ob auch Wish künftig mehr Lagerlogistik in Europa betreiben wird, ließ Engel jedoch offen. Die niedrigen Preise sollen aber auch ab kommendem Jahr erhalten bleiben.

Werbung mit "Micro-Influencern"

Weiters will man die eigene Werbestrategie diversifizieren. Bislang fährt man sehr gut mit Einschaltungen auf Facebook, Google und weiteren Social-Media-Plattformen. Einen immer wichtigeren Anteil im Mix stellen aber auch "Micro-Influencer" dar.

Dabei handelt es sich um Instagram-Nutzer, Youtuber und andere Leute, die vielleicht nur "wenige hundert oder tausend Follower haben", aber gerade auch deswegen authentisch "ihre Leidenschaft für Wish" transportieren könnten, sagt Engel. Sie seien Teil der Bestrebungen, mehr Werbung mit lokalem Bezug zu schaffen.

Starker Smartphone-Fokus

Weiter forciert wird der Fokus auf "mobile first". Nutzer, die Wish auf einem Desktopsystem oder dem Browser am Handy aufrufen, werden immer wieder auf die App der Plattform hingewiesen. Mitunter werden Gutscheincodes bereitgestellt, die auch nur über das Programm genutzt werden können. Die Strategie geht klar auf, sagt Engel. 90 Prozent der Verkäufe weltweit laufen über die App.

Dort könne man auch das angestrebte Einkaufserlebnis bieten. Statt nur auf zielgerichtete Einblendungen zu setzen, ist das Konzept, Nutzern in schneller Abfolge immer neue Produkte zu zeigen und so Neugier zu wecken. Das lasse sich in einer App leichter umsetzen als im Browser. Zudem beobachtet man ein viel schnelleres Wachstum bei Mobile Commerce als im klassischen E-Commerce. In Österreich war die App im Bereich Shopping die zweiterfolgreichste in Googles Play-Store und Nummer vier bei Apples iTunes. 560.000-mal wurde sie von heimischen Nutzern gedownloadet.

Keine Datenweitergabe

Getrieben wird das System freilich vom Einkaufsverhalten der Kunden, das zur Fütterung der Empfehlungsalgorithmen ausgewertet wird. Die Auswertung, versichert die Wish-Europachefin, erfolgt dabei komplett "inhouse". Es seien keine Drittfirmen involviert, und in Europa entspreche man den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung.

Betont gelassen gibt man sich, was das Verhältnis zu anderen Onlinehändlern angeht. "Unser Fokus ist bei den Konsumenten", meint Engel. Was Amazon, Ebay und Co tun, sei für Wish kaum relevant: "Wir beschäftigen uns nicht mit anderen." (gpi, 11.4.2020)