Wenn’s um Corona geht, informiert Kanzler Sebastian Kurz persönlich – flankiert von den Ministern Rudolf Anschober und Karl Nehammer.

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Sebastian Kurz kommuniziert auf allen Kanälen. Er spricht im Parlament, wendet sich in einer TV-Ansprache direkt an die Bevölkerung, er kommt in die Zeit im Bild-Studios, er spricht in den Journalen des ORF-Radios. Der Kanzler ist, wenn man die Medien konsumiert, allgegenwärtig. Und das ist gut so. Kurz kommuniziert die Krise. Er tut dies bewusst, nicht allzu sehr inszeniert und nicht zur Selbstdarstellung, sondern um nachhaltig eine Botschaft der Regierung unter die Bevölkerung zur bringen: Es ist ernst.

Die ständige Kommunikation ist wichtig, um die Leute zu erreichen und letztendlich auch, um ernst genommen zu werden. Daher auch die Kontinuität des Auftretens und die ständigen Wiederholungen. Kurz will sicher gehen, dass das, was er zu sagen hat, auch ankommt.

Schnell, ausreichend und transparent

Dabei ist das eine Gratwanderung zwischen Panikmache und Beruhigung. Die Regierung bemüht sich sehr darum, die Bevölkerung nicht in Angst und Schrecken zu versetzen, um unvorhersehbare Panikreaktionen zu vermeiden (nur beim Klopapierhorten klappt das nicht), andererseits aber auch, um den Ernst der Lage und die Notwendigkeit der gesetzten Maßnahmen zu unterstreichen.

Wenn es um Krisenkommunikation geht, sei das Ideal, "zeitnah so viel wie möglich transparent zu kommunizieren", sagt Daniela Giebel. Die Kommunikationswissenschaftlerin berät Firmen in genau diesem Bereich. Dabei sollten Fehler und Unsicherheiten offen angesprochen werden.

Salamitaktik

Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober von den Grünen sind die Gesichter dieser Krise. An ihnen liegt es, die Botschaften nachhaltig rüberzubringen. Sie treten nicht umsonst oft und meist gemeinsam auf: "Eine One-Voice-Strategie ist im Krisenmanagement wichtig, die Botschaft lautet: Wir machen gemeinsame Sache", sagt Giebel.

Die Ruhe, die Kurz derzeit ausstrahlt, wohnt Anschober sowieso inne. Der Oberösterreicher hat ausreichend Erfahrung in Regierungsämtern, bis zum Eintritt in die türkis-grüne Koalition allerdings nur auf Landesebene. Anschober kommuniziert sehr direkt, so gut es geht, versucht er Floskeln und leere Redewendungen zu vermeiden. Was auch nicht immer gelingt, aber er setzt auf eine gewisse Lockerheit im Reden.

Schock mit Wirkung

Was Kurz und Anschober und in Teilbereichen auch Innenminister Karl Nehammer in den vergangenen Tagen mitzuteilen hatten, war durchaus angetan, Panik zu erzeugen. Daher wurden die Maßnahmen immer nur schrittweise und verteilt kundgetan, nicht auf einmal. Hätte die Regierung bereits vergangene Woche alles auf einmal auf den Tisch gelegt, hätte das in der Bevölkerung zu einem kollektiven Schock geführt mit unvorhersehbaren Auswirkungen.

Am Freitag noch erklärte Nehammer, eine allgemeine Ausgangssperre sei ausgeschlossen. Im ORF darauf angesprochen, dass nun sehr wohl weitreichende Ausgangsbeschränkungen in Kraft treten, verteidigte Kurz das Vorgehen der Regierung: "Wir versuchen die Schritte so vorzubereiten und der Öffentlichkeit zu präsentieren, dass keine Panik ausbricht." Der Preis dafür war, dass sich manche Bürger papierlt vorkamen: Kaum war eine Maßnahme verkündet, folgte die nächste Verschärfung.

Kurz wagte sich von Auftritt zu Auftritt immer einen Schritt vorwärts. "Bleiben Sie ruhig", war die Botschaft, aber auch: "Seien Sie auf alles gefasst". Ganz bewusst sprach Kurz auch den Ernst der Lage an, als er die drohenden und wahrscheinlichen Todesfälle in eine seiner Ansprachen einbaute. Nicht nur, um Verständnis für die Maßnahmen zu schaffen, sondern auch, um jene zu erreichen, die die Verbreitung des Corona-Virus und dessen Folgen bisher auf die leichte Schulter genommen hatten.

Dramatik als Vehikel

Kommunikationsexpertin Giebel ist skeptisch, was emotionalisierende Sprache angeht. Aber: "Wenn es darum geht, dass Menschen nachvollziehen können, warum ich mich so entscheide, kann Dramatik das Verständnis für mein Handeln erhöhen." Das Verhalten und die Kommunikation der Regierenden sei in solchen Zeiten aber immer eine Gratwanderung: "Entweder ist man zu früh dran, dann gilt es als Panikmache. Oder man ist zu spät dran, dann war man unverantwortlich", sagt Giebel. (Sebastian Fellner, Michael Völker, 17.3.2020)