Foto: Luzifer Verlag

Das muss man William Meikle lassen: Einen solchen Grad an Verzicht auf Rahmenhandlung und Konzentration auf die Action findet man sonst nur in einem Porno. Kein Prolog, kein Epilog, es geht sofort mitten ins Geschehen, und Zeit zum Kuscheln bleibt nach dem Höhepunkt auch keine mehr.

Der Plot

Und darum geht's: Captain John Banks fliegt im Auftrag der britischen Krone in die kanadische Arktis, wo sich ein russisches Schiff herumtreiben soll – möglicherweise Spione. Banks' sechs Mann starke Spezialeinheit springt per Fallschirm über einer kleinen Insel ab und findet ... das Grauen. Das erste unmissverständliche Anzeichen dafür, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt, ist eine massakrierte Walrosskolonie. Unmittelbar darauf stoßen die Männer auf eine verwüstete Inuitsiedlung, in der ebenfalls jemand oder etwas gewütet hat:

Zwei der Blutspuren begannen bei einem großen Ledersofa, das vor dem Fernseher stand, und der Boden hier war sogar noch dunkler. Das Sofa war an einigen Stellen zerfetzt, wie von Messern oder Klauen. Die dritte Blutspur, die schmaler war als die beiden anderen, führte von einem umgeworfenen Bettchen in der Ecke weg. Einem Kinderbett.

Arrrgh, Assel-Alarm!

Hier wird also nicht lange herumgetrödelt. Das alles spielt sich auf den ersten Seiten ab, und selbst die Täter lernen wir noch am Ende von Kapitel 1 kennen: Es sind Riesenasseln von einem halben Meter Länge. Die gibt es übrigens tatsächlich, auch wenn sie in der Realität schön brav unten am Meeresboden bleiben. Aasfressende Asseln der Gattung Bathynomus sind ein typischer Fall von Tiefseegigantismus. Der nun durch die SF-typische Gigantophilie noch einmal gesteigert wird. Sagen wir so: Vielleicht sind die Halbmeterbrocken ja nur die Jungtiere ...

In einem parallelen Handlungsstrang wird uns die (kurze) Vorgeschichte des blutigen Geschehens erzählt. Rika Svetlanova ist die letzte Überlebende an Bord des russischen Schiffs, das illegale Ölbohrungen in kanadischen Hoheitsgewässern durchführte und dabei in der Tiefe auf etwas gelinde gesagt Unerwartetes stieß. Die beiden Stränge werden rasch zusammengeführt, und ab dann ist der Roman ein einziger atemloser Abwehrkampf.

Im Kontext des Creature Horror

William Meikle lebt zwar heute in Kanada, kommt aber ursprünglich aus Schottland. Es ist also anzunehmen, dass er die "Crabs"-Reihe von Guy N. Smith aus den 70ern kennt, einen Klassiker des britischen Creature Horror. "Operation Arktis" verhält sich dazu ungefähr wie "Aliens" zu "Alien": mehr Tempo, mehr Testosteron, mehr Kreaturen. Oder um einen jüngeren Roman mit Killerkrebsen zum Vergleich heranzuziehen: Meikles Buch ist der räudige Cousin von Warren Fahys "Biosphere", mit nicht mehr erzählerischem Fett am Körper, als die Asseln übriglassen würden.

Wer – wie ich – das Genre auch in seinen trashigeren Ausformungen mag (guilty pleasure hin oder her), für den stehen nach den Krebsen übrigens noch alle möglichen anderen Viecher auf dem Menü. "Operation Arktis" ist der Auftakt einer ganzen Reihe, in der die titelgebende Spezialeinheit "S-Squad" an Schauplätze rund um die Welt geschickt wird. Das Grundschema ist dabei stets dasselbe: Irgendwelche sinistren Typen (hier eben: die illegalen Ölsucher) wecken eine kryptozoologische Bedrohung, die dann vom S-Squad bekämpft werden muss. Acht Bände hat die Reihe im Original schon hervorgebracht, und da tummelt sich von der Titanoboa über die Camel Spiders (erinnert sich noch wer an den Hoax der US-Soldaten?) bis zum legendären Mongolischen Todeswurm so einiges.

Zumindest Banks wird die Asselattacke also überleben, das ist schon mal sicher. Wie's mit dem Rest seiner Crew aussieht, steht hingegen auf einem anderen Blatt – immerhin sind ein paar davon so generisch und damit austauschbar, dass Banks selbst sie nur als "Tom, Dick und Harry" bezeichnet. Uuuuh, mir schwant Übles ...