Die Frauenhäuser bereiten sich auf einen Anstieg der häuslichen Gewalt vor.

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Abkapselung und Rückzug ins Private in Zeiten von Quarantäne und Selbstisolation: Was für manche Homeoffice-Liebhaber eine verlockende Vorstellung sein mag, bedeutet für andere Gefahr. In Krisenzeiten sind es oft Frauen und Kinder, die unter den verschärften Bedingungen leiden. Das trifft auch auf die aktuelle Krise zu: Die autonomen Frauenhäuser (AÖF) rechnen mit einem Anstieg der häuslichen Gewalt.

"In Familien, in denen sowieso Gewalt vorherrscht, wird es in nächster Zeit vermutlich noch mehr eskalieren", sagt AÖF-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer zum STANDARD. Da gibt es einerseits die banale Tatsache, dass man mehr Zeit auf einem Raum verbringt. Soziale Kontakte außerhalb der Familie sind stark eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr vorhanden. "Fußballspiele oder Gaststätten, Orte, wo Männer hingehen, sind geschlossen", sagt Rösslhumer. Vor ähnlichen Problemen in abgeschwächter Form steht man etwa zu Weihnachten, wenn Familien besonders unter Druck stehen.

Drohende Arbeitslosigkeit als Risikofaktor

Aber es gibt auch andere Risikofaktoren – drohende Arbeitslosigkeit zum Beispiel. Es sind keine Spekulationen, die die Frauenhäuser in dem Zusammenhang anstellen: Frauenrechtsorganisationen in China berichten von einem Anstieg der Anfragen. Es sind aber auch Erfahrungen aus dem Krisenjahr 2008, die Prognosen einer ansteigenden Gewalt erlauben: "Damals haben wir festgestellt, dass die schwere Gewalt und die Hochrisikosituationen gestiegen sind", sagt Rösslhumer. Sie verweist außerdem darauf, dass es auch ganz abseits von Corona allein heuer bereits zu sechs Morden und sieben Mordversuchen gekommen ist. Die Interventionsstelle fordert die Einrichtung eines eigenen Krisenstabs. Opferschutzeinrichtungen rufen dazu auf, in der Nachbarschaft aufmerksam zu sein.

Schon jetzt häufen sich laut Rösslhumer bereits Anrufe, bei denen Frauen sich erkundigen, ob sie auch in Zeiten des Coronavirus in Frauenhäusern aufgenommen werden können oder ob es weiterhin möglich sein wird, zur Beratung hinauszugehen. Manche Frauen seien ängstlich angesichts dessen, wie die Polizei reagieren wird.

Lösungen finden

Aus dem Innenministerium heißt es, man habe sich auf die Situation, dass es zu einem Anstieg der häuslichen Gewalt kommen könnte, grundsätzlich vorbereitet. Bisher könne man noch keinen Anstieg verzeichnen. Man habe jedenfalls nicht vor, die Wegweisungsregelung zu ändern: Polizisten werden gewalttätige Männer nach wie vor der gemeinsamen Wohnung verweisen, hier gebe es "kein zögerliches Verhalten".

Sollte sich die Familie in Quarantäne befinden, werde man in Zusammenarbeit mit den Sanitätsbehörden Lösungen finden.

Beratung für Männer

Auch bei dem vom Grazer Polizisten und Ex-Kommunalpolitiker Edi Hamedl initiierten Männernotruf verzeichnet man bereits eine Häufung der Anrufe von Hilfesuchenden, vor allem auch von Ehefrauen. Dort hat man sich auf eine Beratung für gewaltbereite Männer spezialisiert. Hamedl hat sich bisher als Extremkrisenmanager bei Suizidgefährdeten einen Namen gemacht.

Er teilt die Einschätzung von Expertin Rösslhumer: "Ich denke, dass vor allem jetzt, wo die Familien so eng beieinander leben müssen, es mit großer Wahrscheinlichkeit zu Spannungen und auch Aggressionen kommen wird."

Der Männernotruf soll in solchen Situationen helfen: "Damit unsere Experten schon im Ansatz einschreiten können. Oft hilft ein Gespräch. Wir konnten so schon 15 Menschen retten und Gewalttaten verhindern." Ein Team aus 37 Psychotherapeuten, Psychologen, Trainern, Sozialarbeitern, Pädagogen, Polizeiverhandlern und Rotkreuz-Experten sitzt unentgeltlich rund um die Uhr am Notruftelefon (0800 246 247).

Verhandlungen

Die Plätze in den Frauenhäusern sind jedenfalls schon aktuell knapp. Auf diese Tatsache machen Frauenorganisationen auch schon seit langem aufmerksam. "Wir brauchen dringend Ausweichquartiere", sagt Rösslhumer. "Wir schauen, dass wir jede Frau unterbringen können." Man sei in Verhandlungen: "Hier ist die Politik gefragt." Oberösterreich hat bisher 20 zusätzliche Plätze in Grundversorgungsquartieren geschaffen.

Vom Bundeskanzleramt gab es vorerst noch keine Information über konkrete Pläne. (Vanessa Gaigg, Walter Müller, 18.3.2020)