Dieses Fundstück im Iran gibt Rätsel auf.
Foto: Mohammad Naserifard

Assoziationen sind frei, und die Darstellung links könnte man auf den ersten Blick für die Ähre einer Pflanze ebenso halten wie für ein sechsbeiniges Insekt – oder auch für etwas ganz anderes. Im Forum dieses Artikels dürfte sicher noch der eine oder andere Vorschlag eingehen.

Entdeckt wurde die 14 Zentimeter große Felszeichnung in der Region Chomein im Herzen des Iran. Aus der Fundstätte von Teymareh sind bereits verschiedene prähistorische Darstellungen von Menschen wie auch Tieren bekannt. Diese hier sticht mangels Eindeutigkeit allerdings heraus. Zum ersten Mal war sie 2017 gesichtet worden, doch erst jetzt haben sich Forscher an eine Interpretation herangewagt. Die Ergebnisse wurden im "Journal of Orthoptera Research" vorgestellt.

Fangschrecken und Menschen

Der iranische Archäologe Mohammad Naserifard geht davon aus, dass es sich um ein Mischwesen handelt, halb Mensch, halb Gottesanbeterin. Auf Letzteres würden der dreieckige Kopf und das oberste der drei Gliedmaßenpaare hindeuten, das der Lauerhaltung einer Fangschrecke ähnelt. Naserifard ging sogar so weit, Entomologen hinzuzuziehen, um zu präzisieren, welche Art von Gottesanbeterin es sein könnte. Aufgrund des Kopfputzes tippen sie auf eine Art aus der Verwandtschaft der Haubenfangschrecke.

Die Fangschrecke Empusa hedenborgii betrachten die Forscher als mögliches Vorbild für die Felszeichnung.
Foto: Mahmood Kolnegari

Der menschliche Anteil des möglichen Mischwesens ist schon weniger deutlich zu sehen. Hier verweist der Archäologe auf eine spezielle Form von Felszeichnungen, die aus vielen anderen Fundstätten bekannt ist, den sogenannten "Squatter man" oder "Squatting man" (wörtlich: "hockender Mensch"). Dabei handelt es sich um stark stilisierte Figuren mit erhobenen Armen und angewinkelten Beinen.

Oft findet sich bei solchen Petroglyphen auf jeder Körperseite zwischen Arm und Bein ein freischwebender Kreis, Bedeutung unbekannt. Naserifard sieht dieses Grundmuster im Fund aus Teymareh widergespiegelt: Das mittlere Gliedmaßenpaar mündet in geschlossene Kreise, während die Schleifen am Ende der äußeren Gliedmaßen – Hände und Füße – offen sind.

Einordnung schwierig

Prähistorische Abbildungen von Säugetieren, Vögeln oder Reptilien sind häufig, solche von wirbellosen Tieren hingegen selten. Warum hier ein Insekt dargestellt wurde, können die Forscher nicht sagen. Sie führen aber die in solchen Fällen fast immer geäußerte Vermutung ins Feld, dass die Darstellung eine übernatürliche bzw. spirituelle Bedeutung haben könnte.

Offen ist auch das Alter der Zeichnung – bisherige Einschätzungen nennen eine Zeitspanne von 4.000 bis 40.000 Jahren. Eine exakte Radiokarbondatierung sei aufgrund der gegen den Iran verhängten Sanktionen derzeit nicht möglich, sagt Naserifard. (red, 20.3.2020)