Noch drehen sich die Kräne. Mit Verzögerungen rechnet die Branche trotzdem.

Foto: Standard

In Österreich drehen sich – vorerst – auch weiterhin vielerorts noch die Kräne. Auf vielen Baustellen wird gearbeitet – auch wenn die Unsicherheit aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus groß ist.

Denn ob die von der Regierung beschlossenen Ausgangsbeschränkungen auch für Bauarbeiter auf Baustellen gelten, darüber herrschte zunächst Ratlosigkeit. Die Strabag, Österreichs größter Baukonzern, stellte am Mittwoch die Arbeit an ihren rund 1.000 Baustellen in Österreich jedenfalls ein. Und zwar mindestens, solange die 98. Verordnung des Bundesministers für Soziales gemäß Paragraf 2 des Covid-19-Maßnahmengesetzes gilt – also bis 22. März, wurde in einer Aussendung betont.

Eine Evaluierung der Baustellen habe ergeben, dass der nötige Ein-Meter-Abstand zwischen Mitarbeitenden im praktischen Baubetrieb oft nicht durchgängig gewährleistet werden und die Lieferkette von Materialien und Nachunternehmen nicht mehr sichergestellt werden könne.

Die Baustellen würden gesichert und, weil nicht abschätzbar sei, wie lange dieser Ausnahmezustand tatsächlich dauert, für einen mehrwöchigen Stillstand vorbereitet. Projekte, bei denen der geforderte Mindestabstand eingehalten werden kann, sowie Projekte von übergeordnetem öffentlichem Interesse würden – im Einverständnis mit der Auftraggeberseite – nun aber noch eingeschränkt weitergeführt. Zudem seien die Mitarbeiter beim Frühwarnsystem des AMS vorsorglich zur Kündigung angemeldet worden. Laut einem Bericht des "Immoflash" fahren auch die Bauunternehmen Swietelsky und Habau ihre Baustellen herunter.

"Ungenaue Formulierungen"

Eine der größten Baufirmen des Landes, die Firma Porr, teilt dem STANDARD Anfang der Woche noch mit, dass sie den Baustellenbetrieb noch nicht eingestellt habe. "Unsere Baustellen sind, wo vom Auftraggeber oder den Behörden nicht eingestellt, weiter in Betrieb", sagt Vorstandschef Karl-Heinz Strauss. "Die Abwicklung der Baustellen wurde von der Regierung weder für den Baubetrieb noch für die Zulieferer eingeschränkt. Unsere Mitarbeiter sind vor Ort und halten die Baustellen nach Möglichkeit wie geplant und unter Rücksichtnahme der Vorsorgemaßnahmen am Laufen."

Klar sei aber auch: Es gebe "durch die ungenauen Formulierungen in diversen Interviews" einige Unsicherheiten bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, "weil als Ausnahmebranchen, wo weiterhin Betrieb stattfindet, nur Gesundheits-, Sicherheits- und Vorsorgebereiche genannt wurden".

Auch bei einem Bauträger, der nicht namentlich genannt werden will, wird aktuell an mehreren Wohnprojekten in unterschiedlichen Stadien noch gebaut. Je fortgeschrittener allerdings die Projekte, umso stärker seien aktuell bereits die Einschränkungen. Im Innenausbau und bei der handwerklichen Endfertigung sei es beispielsweises schwierig, alle Bestimmungen – etwa was den Mindestabstand zu anderen betrifft – einzuhalten.

Keine Fertigstellungen im April

Noch etwas kommt erschwerend hinzu: Ausländische Arbeiter – etwa aus Ungarn – könnten teils nicht mehr ins Land kommen. Teilweise mangle es auch an der Verfügbarkeit von Baumaterial wie speziellen Fliesen.

Bei Wohnprojekten, die ohnehin erst im Herbst fertig werden sollen, könne man die nun entstehende Verzögerung zwar in den kommenden Monaten noch aufholen, hofft man beim Bauträger. "Aber wer im April oder Mai fertig werden wollte, ist derzeit wohl chancenlos." Auch weil die behördliche Abnahme aktuell wohl eher nicht stattfinden dürfte.

Von der Wohnung zur Baustelle

Zuletzt wurde über das Vorgehen auf Baustellen angesichts der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus viel diskutiert. Die Bundesinnung Bau in der Wirtschaftskammer meinte am Montag in einem Rundschreiben an die Landesinnungen: Nein, Baustellen fallen nicht unter das grundsätzliche Verbot des Betretens öffentlicher Orte, denn der Produktionsbereich sei damit – anders als Geschäftslokale – nicht gemeint.

Allerdings müssten Bauarbeiter ja die Baustellen weiterhin erreichen können, und der Weg zwischen ihren Wohnungen und der jeweiligen Baustelle werde wohl "in aller Regel durch öffentlichen Raum führen". Deshalb gelte hier die Ausnahmebestimmung, wonach "Betretungen, die für berufliche Zwecke erforderlich sind", erlaubt seien, sofern "sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann".

Stopp der Bautätigkeit

Dieser Mindestabstand ist aber dann natürlich auch bei Arbeitspausen und beim Transport zu beachten. Nach Ansicht von Baugewerkschaftschef Josef Muchitsch kann das aber auf Baustellen keinesfalls gewährleistet werden. "Firmenbusse, Mannschaftsquartiere mit Bettenlagern, gemeinsame Waschräume und das ständige Miteinanderarbeiten sind der Berufsalltag auf den Baustellen", schrieb er in einer Aussendung und forderte den sofortigen Stopp der Bautätigkeit. "Es ist grob fahrlässig, dass alle bisherigen Gespräche nicht zu einer Lösung geführt haben. Es reicht, jetzt ist es genug!"

Bundeskanzler und Gesundheitsminister sollten die Baustellen auch in die Beschränkungen der Verordnung mit aufnehmen. "Baustellen sind nicht systemrelevant, daher braucht es eine Verordnung von oben, Herr Bundeskanzler!" Dort, wo Bauherren und Arbeitgeber "mitspielen" würden, seien bereits Baustellen heruntergefahren und Betriebsurlaube vereinbart worden. Es gebe aber "öffentliche und private Bauherren, die nicht bereit sind, die Arbeiten einzustellen".

An einer bundesweiten Lösung wird angeblich bereits gearbeitet, heißt es aus der Branche. (mapu, zof, 18.3.2020)