Von den 60.000 24-Stunden-Betreuerinnen kommen etwa 80 Prozent aus der Slowakei und Rumänien. Sie können aktuell entweder nicht zur Arbeit oder nicht nach Hause.

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Die Grenzen Ungarns sind seit der Nacht auf Dienstag großteils dicht. Selbst ungarische Staatsbürger, die eigentlich durchdürften, stecken zum Teil Stunden fest, zu viele Fahrzeuge haben den Grenzübergang in Nickelsdorf blockiert. Menschen aus Rumänien und Bulgarien durften die Grenze in der Nacht auf Mittwoch nur zeitweise passieren.

Mitten im Chaos – sowohl physisch, als auch politisch – stecken rumänische 24-Stunden-Betreuerinnen, die normalerweise zwischen Rumänien und Österreich pendeln, um hier zu arbeiten. 40 Prozent der 60.000 Rund-um-die-Uhr-Betreuerinnen, die in Österreich 33.000 betagte Menschen pflegen, kommen aus Rumänien.

Und nun kommen sie weder an ihren Arbeitsort noch von ihm weg, wie mehrere Agenturen und Betreuerinnen dem STANDARD bestätigen. Oder müssen, wenn sie es nach Hause schaffen, im Heimatland direkt in Quarantäne. Die harten Maßnahmen Ungarns im Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus sorgen daher für einen zunehmenden Engpass in der Betreuung von Österreichs Großelterngeneration – schon vergangene Woche machte die Slowakei ihre Grenzen dicht und sperrte damit ebenfalls zahlreiche Betreuerinnen aus. Und: Die Umstände sorgen für eine Überlastung jener Betreuerinnen, die noch da sind und die Dienste der Kolleginnen übernehmen.

Verlängern Turnus freiwillig

Bibiana Kudziova, Ombudsfrau für Personenbetreuerinnen bei der Wirtschaftskammer Wien, berichtet von mehreren Betreuerinnen, die versucht hätte, nach Österreich zu gelangen, aber an der Grenze nach Hause geschickt worden sein sollen. 95 Prozent der Betreuerinnen aber würden nun freiwillig länger bleiben, "auch, wenn sie schon drei, vier Wochen lange Turnusse hinter sich haben". Das sei jedoch nur eine Lösung auf Zeit, "irgendwann klappen die zusammen" – vor allem jene, die demente und schwerkranke Personen betreuen würden. Die Wirtschaftskammer Wien organisierte Hotelbetten für Betreuerinnen, die in Österreich sind, aber aktuell keine Person zu betreuen haben, um sie flexibel einzusetzen. Hier sollen auch 24-Stunden-Betreuerinnen unterkommen, falls sie in Quarantäne müssen. Das Sozialministerium rekrutiert zudem seit dem Wochenende ehemalige Zivildiener, um das Pflegesystem zu entlasten, immerhin sind vor allem ältere Menschen von Sars-CoV-2 gefährdet.

Einige Frauen wiederum sind hier und wollen oder müssen zurück ins Heimatland: "Ich hoffe, dass schnell eine Lösung gefunden wird", sagt eine Betreuerin aus Rumänien, die dringend nach Hause möchte: "Ich habe eine Familie zu Hause, ich habe kleine Kinder." Auf der anderen Seite stehen Betreuerinnen, die nicht arbeiten können und damit ohne Einkommen in ihren Heimatländern festsitzen.

Am Dienstagmorgen machte in sozialen Medien das Bild einer rumänischen Betreuerin die Runde, die in der Nacht zuvor von der ungarischen Polizei aus dem Zug geholt und kurzzeitig inhaftiert wurde. Man habe diese Information erhalten, heißt es aus dem Gesundheitsministerium: "Unseres Wissens nach wurden sie sodann über die Südgrenze Ungarns in ihr Herkunftsland zurückgeschickt." Man arbeit mit Hochdruck daran, Lösungen zu finden, um Situationen wie diese zu vermeiden. Die Caritas, die 800 Pflegekräfte in Österreich vermittelt, fordert eine Ausnahmeregelung für Betreuerinnen. Dass Zivildiener nun entlasten, würde helfen, aber "es braucht einen Korridor für diese Menschen", sagt Bernd Wachter, Generalsekretär der Caritas Österreich zum STANDARD. "Wenn Güter transportiert werden können, sollte auch möglich sein, dass diese Menschen ihren Dienst machen können."

Eine Ausnahmeregel stand in den vergangenen Tagen mehrmals im Raum, galt zwischenzeitlich sogar als fix. So sagte etwa Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Wochenende im Interview mit Ö1, eine solche sei "bereits erfolgt, 24 Stunden-Betreuerinnen dürfen wieder einreisen, das ist abgesichert mit den jeweiligen Regierungen". Am Dienstag sprach man jedoch wieder lediglich von Zielsetzungen: Man arbeite "mit großem Elan" an Ausnahmeregelungen, sagte Anschober bei einer Pressekonferenz. Vorstellbar wäre etwa, dass 24-Stunden-Betreuerinnen Grenzen passieren dürfen, wenn sie zuvor auf Covid-19 getestet werden. Sollte keine Einigung der Regierungen zustande kommen, würde man ein "Auffangnetz schaffen". Man verhandle, solange es Sinn mache, hieß es von Anschober – am Donnerstag erwarte man nähere Details. (Gabriele Scherndl, 17.3.2020)