Blick zurück in die Vergangenheit: Im russischen "Pleistozän-Park" streifen Pferde umher wie einst in der letzten Kaltzeit.
Foto: Pleistocene Park

Offenbar könnten wir die ausgerotteten Mammuts heute wieder ganz gut gebrauchen. Große Weidetiere bleiben nämlich nicht ohne Wirkung auf den Boden, über den sie fortwährend stampfen, berichtet die Universität Hamburg. Und eine dieser Wirkungen wäre sehr im Sinne des Klimaschutzes: nämlich der Erhalt der Permafrostböden.

Permafrostboden ist rund ums Jahr gefroren und aufgrund der Lage der Kontinente vor allem auf der Nordhalbkugel ein relevanter Faktor. Berechnungen zufolge soll in diesen Böden etwa doppelt so viel an Kohlenstoff gespeichert sein, wie sich aktuell via CO2 in der Atmosphäre befindet. Tauen diese Böden auf, wird diese gewaltige Menge an Kohlenstoff in Form von noch mehr CO2 oder als Methan freigesetzt – Letzteres ist als Treibhausgas 25-mal stärker als Kohlendioxid. Die anhaltende Erwärmung des Permafrosts hängt also wie ein Damoklesschwert über allen Bemühungen, den Klimawandel einzubremsen.

Wie es im Norden aussehen sollte

Ein zumindest in der Theorie funktionierendes Konzept, um diese Böden zu schützen, läuft auf eine Rückführung in den Zustand hinaus, der für diese Weltregion der natürliche wäre. Denn heute mag die dortige Tierwelt stark ausgedünnt sein, aber das war nicht immer so: Eigentlich sollten hier jede Menge großer Weidetiere grasen. Manche davon sind zwar für immer dahin, doch andere haben nahe Verwandte hinterlassen, die ihre Rolle einnehmen könnten.

In Jakutien, im Nordosten Sibiriens, befindet sich mit dem sogenannten Pleistozän-Park ein 160 Quadratkilometer großes wissenschaftliches Versuchsgelände, auf dem genau das passiert. Dort tummeln sich unter anderem ausgewilderte Pferde, Europäische Bisons oder Wisente, Rentiere und Moschusochsen. Der Pleistozän-Park kommt damit einem kaltzeitlichen Pendant des bekannten Naturschutzgebiets Oostvaardersplassen in den Niederlanden gleich, wo "urtümliche" Pferde- und Rinderrassen ausgewildert wurden, um das verschwundene natürliche Ökosystem Europas zu rekonstruieren.

Bisons und Moschusochsen gehören ebenfalls zur natürlichen Fauna dieses Lebensraums.
Foto: Pleistocene Park

Sergej und Nikita Simow, die das in den 1990ern angelaufene Pleistozän-Projekt leiten, hatten inzwischen jede Menge Zeit, die Auswirkung großer Pflanzenfresser auf den Boden zu untersuchen. Die läuft im Wesentlichen auf einen simplen Effekt hinaus: Die Huftiere reduzieren im Winter die isolierende Schneeschicht, die den etwa minus zehn Grad kalten Boden gegenüber der bis zu 30 Grad kälteren Luft schützt. Der Schnee wird entweder aufgescharrt und verschleppt oder festgetreten und komprimiert – beides schwächt die Isolation beträchtlich und lässt den Boden damit fester gefrieren.

Ein Team um Christian Beer von der Uni Hamburg sah in diesem Effekt Potenzial und machte sich nun an eine Berechnung, ob die Tiere damit zu einer lebenden Klimaschutzmaßnahme werden könnten. Und tatsächlich kam die in "Scientific Reports" veröffentlichte Studie zu einem positiven Ergebnis.

Zahlenspiele

Die russischen Forscher hatten für ihr Park-Gelände eine verheißungsvolle Kalkulation vorgelegt: Setzt man 100 Tiere pro Quadratkilometer aus, reduziert das die dortige Schneedecke um die Hälfte. Beer hat das nun auf die gesamten arktischen Permafrostregionen hochzurechnen versucht – und kann die russischen Ergebnisse weitgehend bestätigen.

Laut seinem Klimamodell würden Huftierherden kräftig zu Buche schlagen. Gehen die Emissionen an Treibhausgasen und damit die Erderwärmung ungebremst weiter, würde sich der Permafrost um 3,8 Grad erwärmen. Damit würde die Hälfte der weltweiten Permafrostböden bis zum Ende des Jahrhunderts auftauen – mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Zieht man hingegen Tierherden in die Kalkulation mit ein, würde die Bodenerwärmung nur 2,1 Grad betragen. 80 Prozent der heutigen Permafrostböden würden damit im Jahr 2100 immer noch bestehen.

Utopische Vorstellung?

Fast möchte man sagen, dass es eigentlich nur logisch klingt, dass man dem Klimawandel entgegenwirken kann, wenn man Eiszeit-Verhältnisse wiederherstellt – auch wenn es sich dabei nur um die dazugehörige Tierwelt handelt. Wie realistisch die Umsetzung ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. "Vielleicht ist die Vorstellung, alle Permafrostregionen der Nordhalbkugel mit Herden von Wildtieren wiederzubesiedeln, utopisch", räumt Beer ein. Andererseits: Was ist schon utopisch? Hätte sich zu Beginn des Jahres jemand ausmalen können, unter welchen Rahmenbedingungen wir aktuell leben? (jdo, 24.3.2020)