Die Regierung öffnet nach einer Nachdenkpause die finanziellen Schleusen: Angesichts einer Rezession, die über Europa und der Welt aufzieht, pumpen Regierungen und Notenbanken Billionen in die Wirtschaft. Denn eines hat man aus der letzten Krise gelernt: Ist eine unkontrollierte Kettenreaktion einmal im Gange, ist sie schwer zu stoppen.

In der Coronavirus-Krise sorgten erst Lieferausfälle aus China für Turbulenzen, nun ist die nördliche Hemisphäre mit Geschäftsschließungen, Reisestopps und Produktionsstillständen konfrontiert. Das sind in den Augen vieler Ökonomen bedrohlichere Entwicklungen als nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008. Denn mit einbrechenden Dienstleistungen wie Restaurants und Handel sowie der – mit Ausnahmen – eingefrorenen Warenherstellung infiziert Corona den Arbeitsmarkt.

Verlieren Millionen Europäer ihre Jobs, würde in der Folge der Konsum auch nach Wiederöffnung der Geschäfte lahmen. "Wir haben es zweifelsohne mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun", betonte Vizekanzler Werner Kogler. Der Grünen-Chef hat gemeinsam mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein 38 Milliarden Euro schweres Rettungspaket vorgelegt. Anstatt zur geplanten Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel kam es nach dem Ministerrat zur Krisenrede der Regierungsspitzen.

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Hohe Arbeitslosigkeit befürchtet

Kurz – am Sonntag im Nationalrat noch von der Opposition für das damals geplante Hilfsprogramm in Höhe von vier Milliarden Euro getadelt – machte das, was derzeit im ökonomischen Mainstream liegt: alles zu tun, was notwendig ist, um die Krise abzufedern, um "massenhafte Arbeitslosigkeit zu verhindern".

Mit dem Nachsatz "koste es, was es wolle" nahm er Anleihe beim früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). Mario Draghi beendete mit den drei Worten "Whatever it takes" vor knapp acht Jahren die Angriffe von Investoren auf mehrere Wackelkandidaten der Eurozone, deren Zusammenbruch folglich drohte. Ist die Lage wirklich so schlimm, dass keine Rücksicht mehr auf Defizit und Verschuldung der Republik genommen werden soll? Zumindest die Signale sind dramatisch.

Kurzarbeit boomt

In Österreich haben die Geschäftseinschränkungen schon nach wenigen Tagen tiefe Spuren hinterlassen. Bereits davor war der Einbruch im Tourismus so massiv, dass neben Hotels und Restaurants auch Konzerne wie AUA, der Caterer Do&Co oder Flughafen Wien tausende Mitarbeiter in Kurzarbeit schickten oder zur Kündigungen anmeldeten.

Kogler, Kurz und Blümel als Retter in der Not.
Foto: APA/Georg Hochmuth

Dann steckte das Virus zusehends das Gewerbe und die Industrie an. Im Automobilsektor, der in Österreich eine große Rolle spielt, kracht es besonders laut. Magna in Steyr oder Opel in Wien-Aspern beispielsweise unterbrachen die Produktion, weil Lieferketten unterbrochen sind, die meisten Autokonzerne ebenfalls vorüber dichtmachen und obendrein der Kfz-Handel vom "Betretungsverbot" betroffen ist. Nun könnte man – je nach Branche – fast beliebig viele Strophen des gleichen Liedes singen.

Nulldefizit ist Geschichte

Daher der tiefe Griff in die Staatskasse und die Aufgabe des Nulldefizits. Wer jetzt in Jubel ausbricht, sollte freilich nicht vergessen: Die jetzt aufgenommenen Schulden sind die Sparpakete von morgen. Aller Voraussicht nach werden sich die geplante Steuersenkung und andere finanziell relevanten Leuchtturmprojekte nun kaum mehr realisieren lassen. Und obwohl es sich bei dem Paket mit zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts um eine schuldentechnisch verkraftbare Größte handelt, verweisen manche Experten bereits auf die Zeit nach Corona.

Wenn die Wirtschaft nicht rasch wieder in Schwung kommen und die Eurozone von Investoren daher wieder kritischer beäugt werden sollte, wäre es mit der billigen Kreditaufnahme bald vorüber. Doch vorerst werden Betriebe und Beschäftigte kräftig unterstützt. Welche Schwerpunkte setzt die Regierung dabei? Da muss man noch auf viele Details warten, doch einige Eckpfeiler wurden am Mittwoch bekannt.

Hohe Notfallhilfe

Neben den bisher angekündigten vier Milliarden Euro Soforthilfe sollen neun Milliarden für Garantien und Haftungen für Kredite und 15 Milliarden an Notfallhilfe fließen. Letztere ist laut Kanzler für Branchen gedacht, die es besonders hart getroffen hat. Zudem wurden zehn Milliarden für Steuerstundungen veranschlagt. Noch eine für Arbeitnehmer wichtige Änderung gibt es: Die Regierung will ein Gesetz ausarbeiten, um das Aussetzen von Entgeltfortzahlungen wegen der Schließung von Betrieben zu verhindern. (Andreas Schnauder, 18.3.2020)