Es sind Menschen, die eigentlich immer da waren. Menschen, die ganz selbstverständlich ihrer Arbeit nachgehen. Während Österreich nun angehalten ist, zu Hause zu bleiben und im Homeoffice zu arbeiten, müssen sie raus, damit Menschen transportiert, Kinder betreut und Lebensmittel gekauft werden können. Damit der Müll entsorgt und die Post zugestellt wird, gehen sie tagtäglich ganz normal ihrer Arbeit nach.

CAROLINE ESSER, 24, FREIWILLIGE BEIM ROTEN KREUZ

Caroline Eßer ist seit 2013 als Freiwillige beim Roten Kreuz.
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Sie musste sich entscheiden: Patientenkontakt oder Krisenstab. Die Entscheidung fiel schlussendlich auf Letzteres. "Ich habe Erfahrung im organisatorischen Bereich, habe auch entsprechende Kurse absolviert", erzählt Caroline Eßer. Eigentlich studiert die 24-Jährige Biotechnologie im Master an der Fachhochschule Tulln, seit 2013 ist die gebürtige Vorarlbergerin beim Wiener Roten Kreuz als Freiwillige aktiv.

Momentan ist das Ehrenamt aber ein Vollzeitjob mit Zwölfstundenschichten. Eßer koordiniert Dienstpläne, sucht Ersatz, falls Rettungsfahrer ausfallen, kontrolliert Materialbestände und war am Umbau der Wiener Messe beteiligt. "Wir haben beispielsweise zig Kugelschreiber vorbeigebracht. Schließlich funktioniert die Patientendokumentation dort nur handschriftlich", erzählt sie. Zur Arbeit fahre sie mit dem Fahrrad, sonst gehe sie nur "fürs Nötigste" raus.

Erfahrung im Krisenbetrieb hat sie bereits 2015 in der Flüchtlingskrise gesammelt, als Notquartiere aufgezogen und Menschen versorgt werden mussten. Das Grundgerüst sei damals wie heute sehr ähnlich, schließlich gebe es Pläne für Katastrophenfälle, nach denen man arbeitet. Der große Unterschied zu heute: "Damals stand im Vordergrund, den Menschen zu helfen. Jetzt steht der Schutz vor dem Virus im Zentrum."

Milan Tufegcic chauffiert die Wienerinnen und Wiener durch die Krise.
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MILAN TUFEGCIC, 49, BUSFAHRER

Sein Job sei in den vergangenen Tagen eigentlich ein bisschen einfacher geworden, erzählt Milan Tufegcic. Weniger Fahrgäste bedeuten, dass "die Situation im Bus generell leichter zu überblicken ist". Der 49-Jährige ist in der Garage Raxstraße der Wiener Linien stationiert. Von dort chauffiert er unter anderem Fahrgäste der Linien 13A, 14A und 15A durch die Stadt. Sein Fahrerplatz im Bus ist aktuell mit Bändern abgetrennt. "Wir öffnen auch die erste Tür nicht mehr aktiv und bitten darum, die hinteren Türen zu nutzen", sagt Tufegcic. Es sei "besonders, wenn man in einer solchen Situation so dringend gebraucht wird", sagt er. "Ich mache meinen Job, damit Wien mobil bleibt."

Immer wieder seien Kunden besonders nett und würden sich bei ihm bedanken. Das schätze er sehr. Das Thema Coronavirus ist für den Wiener in der Arbeit präsent: "Als Fahrer hört man, was die Leute im Bus reden, viele beschäftigt das Corona-Thema. Dann bekomme ich mit, welche Maßnahmen gerade beschlossen wurden." Busfahrer ist Tufegcic aus vollem Herzen. "Ich bekomme in der Früh einen Bus übergeben, fahre herum und werde auch noch bezahlt dafür. Das ist großartig." Was er seinen Fahrgästen mitgeben will? "Halten Sie sich an die aktuellen Regeln. Nehmen Sie aufeinander Rücksicht und waschen Sie sich die Hände. Und bleiben Sie cool."

HYRIE JASHARI, 30, EINZELHANDELSKAUFFRAU

Hyrie Jashari sorgt dafür, dass die Bevölkerung genug Essen daheim hat.
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Heldin? "Ja, ich würde mich schon als Heldin sehen", sagt Hyrie Jashari. Die 30-Jährige arbeitet im Einzelhandel: Billa, Gentzgasse im 18. Bezirk in Wien, Feinkost, aber auch an der Kassa und bei der Regalbetreuung. Jashari musste wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen einen kühlen Kopf und schnelle Hände bewahren. Als vergangene Woche die Maßnahmen der Regierung zur Corona-Krise verkündet wurden, war Österreich vor allem einmal einkaufen. "Der Freitag war schlimm, es war Ausnahmezustand, aber mittlerweile geht es wieder Richtung Normalbetrieb", sagt Jashari.

Viele machten sich Sorgen, gehamstert wurden in erster Linie haltbare Waren und Klopapier. Leere Regale sorgten für noch mehr Sorgen. Unbegründet, denn: "Es war alles da, wir konnten nur durch die vielen Menschen im Geschäft nicht so schnell nachschlichten. Das war wild. Die Kunden waren zwar gestresst, aber freundlich." Ob sie selbst Angst hat? "Ja, ich habe schon Angst, aber ich weiß auch, dass ich da bin, um Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen und Österreich am Laufen zu halten."

NICO ETSCHBERGER, Elementarpädagoge

Die Kindergartenkinder würden natürlich mitbekommen, dass alles ganz anders ist, sagt Nico Etschberger, einer von elf Pädagogen in einem Kindergarten in der Stadt Salzburg. Normalerweise betreuen sie 90 Kinder, am Dienstag seien nur drei gekommen. Sonst hätten alle abgesagt. Das Programm wie in einer Gruppe findet nun freilich nicht statt. "Um Abstand zu halten, sind wir mit den Kindern in den Garten rausgegangen." Die Kontaktvermeidung sei im Elementarbereich ansonsten schwierig.

Bereits in der Vorwoche habe man versucht, den Kindern die Situation kindgerecht zu erklären. "Wir haben gesagt, dass viele krank sind und wir schauen müssen, dass sich nicht noch mehr anstecken." Wichtig sei, keine zu Panik verbreiten, "damit sie nicht das Gefühl bekommen, die Welt geht unter".

Sandro Pregartner hält Graz sauber.
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SANDRO PREGARTNER, 24, MÜLLENTSORGER

Sandro Pregartner entsorgt Müll. Und das im großen Stil. Der 24-Jährige holt den Verpackungsmüll des Lebensmittelhandels mit seinem Container-Lkw ab und fährt ihn zur Sammelstelle des Müllverwertungs- und Entsorgungsunternehmens Saubermacher in Graz. "Die Mengen sind in den letzten Tagen eindeutig größer geworden. Man merkt, dass in den Geschäften viel mehr eingekauft wird", sagt Pregartner. Auch von Baustellen holt er mit Großcontainern schweren Abfall ab. Diese Fahrten sind jetzt rarer geworden, weil zahlreiche Baustellen geschlossen sind.

Sein Tag beginnt um 4.30 Uhr, manchmal früher. Wenn Sandro am Nachmittag zu seiner Lebensgefährtin nach Hause kommt, beginnt die Freizeit. Aber nicht wie früher irgendwo draußen auf Motocross-Strecken oder bei der Freiwillige Feuerwehr St. Ruprecht an der Raab, sondern eingebunkert in den eigenen vier Wänden. "Ich bin tagsüber eh viel unterwegs", sagt Pregartner. Was ihm bei den Entsorgungsfahrten ins Auge springt und er kritisch anmerken möchte: "Mir fällt während meiner Fahrten auf, dass noch immer viele Leute in der Stadt unterwegs sind. Mein Appell: Bitte, bleibt zu Hause und folgt den Vorgaben der Regierung, damit wir möglichst schnell alle wieder in unser Leben wie vor Corona zurückkehren können."

Claudia Kubart versorgt die Steirerinnen und Steirer mit Medikamenten.
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CLAUDIA KUBART, 42, APOTHEKERIN

"Wir rennen wie verrückt", erzählt Claudia Kubart. Der Andrang auf die Apotheke im steirischen Mürztal, in der die der die 42-Jährige arbeitet, sei stark gestiegen. Nur drei Leute auf einmal werden in den Verkaufsraum gelassen, der Rest muss draußen warten. Viele von ihnen hätten keine akuten Probleme. "Hauptsächlich decken sich die Leute mit Standardmedikamenten ein", sagt sie. So werden etwa Blutdruckmedikamente nicht mehr nur für einen Monat, sondern gleich für drei abgeholt.

Die Rezepte erhält die Apothekerin oft von den Ärzten per Fax. Sorgen macht sich die Mutter eines Sohnes trotz des Kundenkontakts nicht. "Wir haben noch alte Masken, die verwenden wir – vor allem um die Kunden zu schützen –, zudem verwenden wir Handschuhe und achten auf Sicherheitsabstand." Im "Minutentakt" wischt eine Putzkraft über die Flächen in der Apotheke. Dazu kommen für alle Mitarbeiter regelmäßiges Händewaschen und Desinfizieren. Schließt die Apotheke, ist die Arbeit aber nicht vorbei: Dann wird der Lagerbestand geprüft, nachbestellt und eigens Desinfektionsmittel hergestellt. Kubart hofft, dass sich alle an die Maßnahmen der Regierung halten "und der Spuk bald vorbei ist".

Alexander Schachinger stellt die Post zu.
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ALEXANDER SCHACHINGER, 39, POSTZUSTELLER

Wenn Alexander Schachinger ehrlich zu sich ist, sind die Arbeitsbedingungen gerade eigentlich ganz gut. "Optimal sogar", sagt der Postzusteller. Kaum Verkehr, fast alle Menschen sind zu Hause, einfache Bedingungen für den Postler. Der 39-jährige Oberösterreicher bringt in Wels Briefe und Pakete an die Haushalte. Allfällige Unterschriften bei der Übernahme sind nicht mehr notwendig, so bleibt der Sicherheitsabstand gewahrt.

Er selbst merkt nur vereinzelt Verunsicherung bei den Empfängern: "Manche sind sehr auf den Sicherheitsabstand bedacht." Maske oder Handschuhe trägt er beim Ausliefern nicht, es gehe auch darum, die Verunsicherung nicht zu verstärken. Angst hat er selbst nicht: "Das Leben muss weitergehen, es wird wieder normal." Aktuell sei der Lieferumfang noch im gewohnten Bereich. Das könnte sich ändern: "Die nächsten Tage werden spannend, wenn die Leute alle von zu Hause bestellen."

HAJNALKA ANTAL, 45, 24-STUNDEN-PFLEGERIN

Hajnalka Antal betreut rund um die Uhr.

Hajnalka Antal kommt aus Rumänien und arbeitet als 24-Stunden-Betreuerin in Vorarlberg. Normalerweise dauert ihr Turnus drei Wochen, nun hat sie ihn freiwillig verlängert. "Ich bleibe, bis die Krise vorbei ist", sagt sie. Antal ruft ihre Kolleginnen auf, nicht in Panik zu verfallen, sondern durchzuhalten: "Das ist kein Job, sondern eine Pflicht, in dieser Situation müssen wir die Letzten sein, die das Schiff verlassen."

Was sie sich wünschen würde, ist eine psychologische Betreuung für Pflegepersonal oder zumindest eine Hotline, an die sie sich wenden können. Antal ist eine der Administratorinnen der Facebook-Gruppe "Betreuerpool bei Corona-Ausfall" und momentan viel damit beschäftigt, ihre Kolleginnen zu beruhigen: "Alle Menschen reagieren anders auf Panik", sagt sie. In der Gruppe sollen sich Betreuerinnen und Agenturen austauschen und Lösungen suchen, um die Betreuung sicherzustellen. Mir ihrer Familie daheim telefoniert Antal nun häufig, "es ist alles okay, wir haben zu essen, zu trinken und einen Platz zu schlafen", sagen sie sich gegenseitig.

Barbara B. ist im Spital für die Krankenpflege zuständig.

BARBARA B., 28, KRANKENPFLEGERIN

Nein, mit der Rolle als "Heldin" eines völlig aus den Bahnen geratenen Alltags könne sie nichts anfangen. "Ich glaube aber an das Kollektiv, ich weiß, in welche ethischen und persönlich-moralischen Konflikte man im Gesundheitswesen manchmal verwickelt ist. Ich bin daher stolz, Teil einer solchen Berufsgruppe zu sein, und ich empfinde tiefe Dankbarkeit." Barbara B. arbeitet als psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflegerin in Wien.

Die Stimmung im Krankenhaus beschreibt die 28-Jährige als durchwachsen. "Viele empfinden Angst, Erwartungen nicht erfüllen zu können. Die Welt steht Kopf, und im Krankenhaus wird einem viel abverlangt – jeden Moment kann alles sein. Wir nehmen unseren Mut zusammen, aber die Situation belastet unsere Psychen enorm."

EVA FERSTL, 48, SOZIALBETREUERIN

Eva Ferstl kümmert sich um ehemals wohnungslose Frauen in Niederösterreich.

"Ängste sind in der Obdachlosigkeit ein zentrales Thema", sagt Eva Ferstl. Sie ist Betreuerin in der "Weiberwirtschaft", einem Wohnheim für ehemals wohnungslose Frauen in Wiener Neustadt. Seit dieser Woche werden dort nur Nachtdienste besetzt, der Kontakt zu den Klientinnen wird möglichst reduziert. Die klassische Sozialarbeit – etwa Unterstützung bei Arbeitssuche und Schuldentilgung – falle nun weg.

Dafür achten die Psychotherapeutin und ihre Kollegen bei den Bewohnerinnen aufs Händewaschen. Miteinander geredet wird, wenn auch mit Sicherheitsabstand. Denn "gerade jetzt ist es wichtig, zu beruhigen und Halt zu geben". (elas, hag, mro, mue, ook, ruep, sefe, 18.3.2020)