Robert Stachel: "Eine spezielle Art der Nachhaltigkeit"

Robert Stachel ist seit 1998 "Drüberredner" bei der Kabaraettistentruppe Maschek, die unter anderem Fixpunkt der ORF-Show "Willkommen Österreich" ist.
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"Meine früheste Erinnerung an dieses Radio zeigt es in der Stube im Haus meiner Großeltern in der Steiermark. Es stand an jenem Platz, den später der Fernseher einnahm. Bis heute vermittelt es mir eine Ahnung von der guten alten Zeit des Radios.

Seit das Gerät vor 30 Jahren in meinen Besitz überging – Oma und Opa hatten sich ein moderneres Transistor-Radio zugelegt – ist es mit mir von Wohnung zu Wohnung übersiedelt. Das schöne Stück wurde im Jahre 1953 von der Wiener Firma Radione im 3. Bezirk produziert. Seine genaue Bezeichnung lautet Radione Junior Duplex 58.

Über den unteren Teil des Geräts zieht sich eine Leiste, auf der allerlei Namen von Städten zu lesen sind. Faszinierend daran ist einerseits die Anzahl der Städte, andererseits die schräge Auswahl. Linz, Prag, Stuttgart, Belgrad kommen ebenso vor wie Montecenere, Stettin oder Beromünster. Sender wurden damals auch nach Bergen benannt, zum Beispiel Jauerling oder Sonnwendstein.

Früher hat man an dem Gerät auch den Klangcharakter einstellen können, etwa Konzert und Jazz. Als Kind hab ich da gern drauf herumgedrückt. Kinder drücken halt gern herum. Ich höre meinen Großvater noch sagen: ,Jetzt lasst es aber schön brav auf Konzert!‘ Wie auch immer, neben seiner Nostalgie-Aura steht das Radione für eine ganz spezielle Art der Nachhaltigkeit.

Ich meine, das Ding wurde nicht gebaut, um bald kaputtzugehen, sondern um eine möglichst lange Zeit durchzuhalten – aber wahrscheinlich keine 70 Jahre. Das fasziniert mich im Zeitalter des iPhones, indem die Kids Stress kriegen, wenn sie mit einem älteren Modell herumlaufen müssen. Für mich ist diese Geschichte eine schöne Metapher, wenn es um technische Wertigkeiten oder das Recht auf Reparatur geht." (Michael Hausenblas)


Mavi Phoenix "Ich war schon immer ein Bowie-Fan"

Als Marlene Nader geboren, lebt Mavi Phoenix mittlerweile als transidenter Mann. Das neue Album "Boys Toys" erscheint am 3. April.
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"Ich habe mir wirklich damit schwergetan, mein ältestes Stück ausfindig zu machen. Ich bin nämlich ein Mensch, der sich relativ schnell und dann komplett von Dingen trennt. Das Bowie-Buch ist aus dem Jahr 1977, mein Vater hat es in einer Buchhandlung in Salzburg gekauft und mir vor einigen Jahren geschenkt.

Er ist wahnsinnig begeistert von Bowie, für ihn war das Buch in den 1970er-Jahren eine echte Offenbarung: David Bowie hat ihm gezeigt, wie schillernd die Welt sein kann. Für mich wiederum war dieses Geschenk wichtig, weil mir mein Vater mit dem Buch vermittelt hat, dass er meine Musik ernst und wichtig nimmt. Seither steht es in meinem Bücherregal.

Ein David-Bowie-Fan war ich aber schon immer. Neben der Musik haben mich seine Verwandlungskünste fasziniert. Bowie ist ein gutes Beispiel für alle, die sich mit Gender-Fragen auseinandersetzen. Er war nicht in seiner Männlichkeit gefangen und hat seinen Hang zur Weiblichkeit ausgelebt – und das schon damals!

Ich finde das extrem stark, weil ich glaube, dass viele Menschen solche Gefühle haben, sie aber nicht zulassen. Ich bin zwar keine große Leseratte, das Bowie-Buch aber habe ich verschlungen. Im Moment habe ich wieder eine Bücher-Phase – am liebsten lese ich vor dem Einschlafen im Bett." (Anne Feldkamp)


Karl Hohenlohe "Mein Vorfahr, Napoleon"

Karl Hohenlohe ist u.a. Herausgeber des Gourmet-Guides Gault & Millau und Moderator der Antiken-Sendung "Was schätzen Sie?"
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"Das älteste Stück, das ich zu Hause habe, ist ein Dinosaurierzahn. Nur habe ich ihn für das Fotoshooting nicht gefunden. Daher habe ich mich für ein Familienerbstück entschieden, das nicht sehr alt ist: eine Schatulle aus dem Jahr 1830 und ihr Inhalt.

In der Schatulle ist ein Bund getrocknetes Gras. Das hat meine Urururgroßmutter Stéphanie Beauharnais vom Grab ihres Vaters auf der Insel St. Helena gepflückt. Ihr Vater war Napoleon, er ist somit mein Viermal-Urgroßvater.

Ich bin in Wien geboren und aufgewachsen, aber unsere Familie ist in ganz Europa verstreut. Unsere Vorfahren stammen aus Schottland, Frankreich, Ungarn und Tschechien. Meine Frau beschwert sich immer, dass sie zwischen so vielen alten Sachen leben muss. Aber ich lebe ja nicht in der Vergangenheit. Das sind alles Artefakte aus unserer Familiengeschichte, die ich in Ehren halte." (Nina Wessely)


Sabine Haag: "Das California-Feeling kommt automatisch"

Sabine Haag ist seit 2009 Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums in Wien. Seit 2018 ist sie auch Präsidentin der Österreichischen Unesco-Kommission.
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"Dieser Sweater begleitet mich bereits seit 1980. Ich habe das Jahr gleich nach der Matura als Austauschstudentin an der Uni von Santa Barbara in Kalifornien verbracht. Obwohl ich dafür auch noch den Highschool-Abschluss machen musste, war es eine herrliche Zeit.

Fast jeder in den USA hatte damals so einen Pulli an – als Zeichen der Zugehörigkeit zu seiner Uni. Also kaufte ich mir auch einen und zog ihn bei jeder Gelegenheit an. Nachdem ich den Sweater vor vielen Jahren das letzte Mal getragen hatte – ich weiß gar nicht mehr, wann das genau war –, wusch und bügelte ich ihn. Danach kam er aber nicht in den Kleiderkasten, sondern an einen prominenten Ort bei mir zu Hause.

Immer wenn ich daran vorbeigehe, zaubert er ein Lächeln in mein Gesicht, und das California-Feeling von damals kommt automatisch. Ich würde dennoch nicht so weit gehen, ihn wie ein Kunstwerk zu inszenieren oder aufzuhängen – es ist ja kein Strickpulli von Erwin Wurm. Aber ich will ihn um mich haben.

Da ich mich beruflich an einem der schönsten Orte des Sammelns aufhalte, habe ich privat häufig das Bedürfnis auszumisten. Dieses sentimentale Stück habe ich allerdings vor allen Ausmistaktionen bewahren können. Ich musste den Sweater auch schon öfter gegenüber meinen Söhnen verteidigen. Die finden ihn nämlich gar nicht so hübsch." (Sascha Aumüller)

(RONDO Exklusiv, 20.3.2020)