Verwirrung in der Baubranche: Auf welchen Baustellen darf nun gearbeitet werden, welche bleiben offen? Die Corona-Verordnung enthält keine klaren Regelungen zu dieser Frage. Das ist insofern brisant, als das vielgeforderte "Social Distancing" am Bau im Alltag kaum umsetzbar ist.

"Enge Firmenbusse, Mannschaftsquartiere mit Bettenlagern und das ständige Miteinanderarbeiten sind der Berufsalltag. Das Vermeiden des sozialen und direkten Kontaktes ist für die Beschäftigten in der Praxis nicht möglich", beklagte etwa der Gewerkschaftsbund (ÖGB).

Baufirmen schließen Baustellen

Um ihre Mitarbeiter zu schützen, schlossen am Mittwoch zahlreiche Baufirmen dann doch ihre Baustellen. Die Strabag ging voran, mit rund 1000 Stätten österreichweit. Später zogen dann zahlreiche andere Baufirmen nach.

Schicht im Schacht bei der Strabag.
Foto: APA/Herbert P. Oczeret

So etwa Habau. Deren Chef Hubert Watschnig berichtete, die Entscheidungen seien branchenweit abgestimmt gewesen. Er führte noch andere Gründe ins Feld, etwa dass man einerseits das Personal nicht mehr bekommen habe, andererseits auch Baumaterial nicht mehr verfügbar gewesen sei. Lediglich dringende Bauarbeiten bei ÖBB und Asfinag sollen in Ausnahmefällen weitergeführt werden. 2000 Habau-Mitarbeiter werden in Kurzarbeit geschickt.

Baustopp beim Parlament

Auch an manchen Baustellen des Bundes und der Länder (die echten, nicht die politischen) heißt es nun "Schicht im Schacht". So etwa beim Parlament, wo ein Mitarbeiter mit Coronaverdacht in Heimquarantäne geschickt wurde.

Baustopp beim Parlament: Ein Mitarbeiter wurde als Verdachtsfall eingestuft.
Foto: APA/Hans Punz

Am Mittwoch befanden sich noch 25 Arbeiter auf der Baustelle, um diese nach der vorübergehenden Schließung fachgerecht abzusichern, hieß es vonseiten der Bundesimmobiliengesellschaft. Ähnlich sieht es in der Steiermark aus, wo die Sanierungsprojekte bei Landesstraßen eingestellt wurden.

In Niederösterreich wird weitergearbeitet

Im schwarzen Niederösterreich ist man unterdessen zu einem gänzlich anderen Schluss gekommen. Die Landesregierung gab drei Millionen Euro für Straßen- und Brückenbauprojekte frei. Der Landesstraßendienst leiste dahingehend weiter Vorarbeiten, hieß es.

Man werde die Starts jener Baustellen, die ursprünglich für April geplant gewesen waren, jedoch von Projekt zu Projekt bewerten, informiert der zuständige Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko: "Wichtig ist, dass sich die Landsleute und Blaulichtorganisationen darauf verlassen können, dass die Benutzbarkeit der Landesstraßen gewährleistet ist."

Rechtsunsicherheit

Nicht nur die Gesundheit der Bauarbeiter steht zur Diskussion, es geht auch ums schnöde Geld. Die aktuelle Situation zieht zudem einen langen Rattenschwanz an rechtlichen Fragen nach sich. "Viele Baufirmen haben Angst vor Klagen ihrer Auftraggeber", berichtet SPÖ-Nationalratsabgeordneter Rudolf Silvan. Diese Angst ist nicht unbegründet, wie der ÖBB-"Drohbrief" vom Dienstag zeigt, DER STANDARD berichtete.

Aufgrund der rechtlichen Unsicherheit laufen auch bei den Anwaltskanzleien die Telefone heiß. "Die Situation ist von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich zu bewerten", berichtet etwa Philipp Scheuba von der Anwaltskanzlei BLS. In vielen Verträgen sind im Verzögerungsfall Pönalen – also pauschalisierte Schadenersatzzahlungen – geregelt. Ob die in einem Fall höherer Gewalt, den Corona wohl darstellt, zu bezahlen sind?

Dahingehend gelten unterschiedliche Regelungen: "Nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) ist das Risiko höherer Gewalt dem Auftragnehmer (ergo: den Baufirmen, Anm.) zugeordnet", informiert Scheuba. Allerdings komme in den Bauverträgen zumeist die Ö-Norm B2110 zur Anwendung, der zufolge das Risiko unvorhersehbarer Ereignisse im Gegensatz zum AGBG den Auftraggebern zugeordnet ist.

Sozialpartner verhandelten

Verhandelt in Sachen Baustopps: Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz.
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Um Klarheit zu schaffen, fordert der SP-Abgeordnete Silvan, "dass hier die Regierung einspringt. Schadenersatzklagen sollten bis Juni ausgesetzt werden." Der ÖGB fährt eine ähnliche Schiene und fordert österreichweit einheitliche Regeln hinsichtlich der Baustellenfrage.

Diese wurde am Mittwoch in den Ministerien mit den Sozialpartnern diskutiert. Nach STANDARD-Informationen soll bereits eine Lösung vorliegen, die eventuell schon in der Nationalratssitzung am Donnerstag umgesetzt werden könnte. (Tobias Kachelmeier, 18.3.2020)