Die Museums-App lässt sich auch zu Hause aktivieren, beispielsweise bietet das KHM Touren durch seine Sammlungen an.

KHM Stories App © KHM-Museumsverband

Im Wiener Kunsthistorischen Museum kann man nun auch Online-Touren machen.

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Jeder Kunstinteressierte kennt das von Städtereisen, speziell an langen Wochenenden: Touristen etwa in Wien verstopfen nicht nur in Reiseführern beworbene Kaffeehäuser. Auch die Ausstellungsräume der Wiener Großmuseen haben darunter zu leiden.

Zwischen hochgehaltenen und blitzenden und klickenden Taschentelefonen kann man so zumindest im günstigen Fall einen Ausschnitt von Albrecht Dürers "Feldhasen" erhaschen oder sich im Kunsthistorischen Museum in den Warteschlangen bei Sonderausstellungen die Beine in den Bauch stehen.

Derzeit im musealen Lockdown werden so die Onlineangebote diverser Museen zusehends interessanter.

Vor allem auch finanziell nicht so gut aufgestellte Kunstinteressierte haben vermehrt die Möglichkeit, sich virtuell durch den Raum bedeutender Museen der Welt zu bewegen, ohne sich zu bewegen, wie es am Beispiel der Navigatoren in Frank Herberts berühmtem Science-Fiction-Klassiker "Der Wüstenplanet" heißt. Diese nehmen Drogen, wir nehmen Kunst.

Street-View für Sofasurfer

Weil alle Straßen der Welt offenbar hinreichend dokumentiert sind, setzt etwa das Programm Google Arts & Culture zunehmend auf die Erfassung von Museums-Innenräumen. Das fällt zum Beispiel anhand des Rijksmuseum in Amsterdam mit seinen Rembrandts und Vermeers allerdings etwas unbefriedigend aus, weil man den Kunstwerken nicht wahnsinnig näher kommt. Auch ein Rundgang auf der Spirale des New Yorker Guggenheim-Museums fällt eher unter das Motto Spaziergang mit dem Joystick. Die Maustaste will nicht so recht. Aktuell hinzugekommen sind außerdem Touren durch die Vatikanischen Museen. Zumindest von der Ankündigung her. Wirklich funken tut das online bis jetzt noch nicht.

Im Gegensatz dazu setzen sich andere internationale Museumsflaggschiffe wie das British Museum in London mit einer auf der Höhe der Zeit befindlichen Online-Oberfläche, auf der man durch die Jahrhunderte surfen kann, sowie fundierten Hintergrundtexten und Querverweisen zu anderen jeweils zum Thema passenden Exponaten aus der Kunstgeschichte, ernsthaft mit den technischen Anforderungen des heutigen Couch-Potato-Zeitalters auseinander.

Museumstouren hinter der Firewall

Auch die Uffizien in Florenz erweisen sich als wahre Goldgrube des Wissens, die mit ausführlichen Slideshows zu ausgewählten Gemälden und kunsthistorisch detailreichen Bilderklärungen punkten. Etwas im Hintertreffen, allerdings auch halbwegs befriedigend, der Prado in Madrid, der zu Fuß vor Ort ebenso wie der ebenfalls online ausstellende Louvre in Paris oder das besagte British Museum an einem Tag oder an einem Wochenende ohnehin nur mit festem Schuhwerk und zuvor regelmäßigem Konditionstraining auf dem Heimtrainer zu bewältigen sind.

Auch die Wiener Albertina besitzt eine Online-Gemäldegalerie mit bis dato 225.000 von über 1,5 Millionen Werken, die vom 15. bis ins 21. Jahrhundert heraufgehen. Mit Hintergrundinformationen hält man sich allerdings vornehm zurück.

Seit Mitte März veranstaltet das Wiener Belvedere täglich um 15 Uhr kuratierte Führungen mit täglich wechselnden Spezialthemen, unter anderem via Twitter und Facebook. Online gestaltet sich der Zugang zum Belvedere in den letzten Tagen, vielleicht auch wegen Firewall, etwas schwierig.

Rick Steves' Europe

Hervorzuheben ist an dieser Stelle vor allem auch die Gratis-App "KHM Stories" des Wiener Kunsthistorischen Museums. Mit einem speziellen Angebot gerade auch für Kinder kann man mit dieser Applikation Touren anhand ausgewählter Exponate durch das Museum machen, die sich etwa mit dem Klimawandel beschäftigen.

Klima, Kunst und Katastrophen

Die erste Tour nennt sich "Schnee von gestern?! – Klima, Kunst und Katastrophen" und beinhaltet unter anderem das Bild "Die Jäger im Schnee" von Pieter Bruegel dem Älteren – und schildert, was mit dem Schnee seitdem passiert ist. Anhand eines Gemäldes des venezianischen Stadtmalers Canaletto aus dem 18. Jahrhundert erfährt man weiters von den Auswüchsen des Massentourismus in der Lagunenstadt, an einer anderen Station, warum der Wundervogel Dodo ausgestorben ist.

Die jeweils gut einstündigen Touren auf dem Handy oder dem iPad beschäftigen sich etwa auch mit dem immergrünen Thema der Liebe, sozialen Phänomenen wie Armut und Luxus, dem Körperbild durch die Jahrhunderte oder der Suche nach Monstern in der Kunst. Das Herunterladen der einzelnen Touren erweist sich zwar mitunter als etwas langwierig, es lohnt sich aber für die Großen und die Kleineren.

Ganz abgesehen von diversen Museumstouren auf Youtube unter dem Motto "So skurril kann etwas gar nicht sein": Es gibt auch ein Leben außerhalb von Netflix. (Christian Schachinger, 19.3.2020)