Rekonstruktion von Asteriornis maastrichtensis in seinem Lebensraum. Im Hintergrund liegt malerisch der angespülte Kadaver eines Mosasauriers.
Illustration: Phillip Krzeminski

Eine zugkräftige Bezeichnung ist immer gut, wenn Forscher auf eine Entdeckung aufmerksam machen wollen, und die Universität Cambridge hat sich nun für das "Wunderhuhn" ("wonderchicken") entschieden.

Womit haben wir es zu tun? In einem Kalksteinbruch nahe der belgisch-niederländischen Grenze stießen Forscher auf das Fossil eines kreidezeitlichen Vogels. Mit einem Alter von 66,7 Millionen Jahren lebte das Tier kaum eine Million Jahre vor dem verheerenden Asteroideneinschlag, der die irdische Fauna grundlegend verändert hat. Die Wahl der offiziellen Bezeichnung Asteriornis maastrichtensis spiegelt dies wider: Asteria war eine Titanin der griechischen Mythologie, die wie der Dino-Killer ins Meer stürzte. Außerdem soll sie in eine Wachtel verwandelt worden sein – was dem Aussehen von Asteriornis den Forschern zufolge recht nahe käme.

Halb Ente, halb Huhn

Zu Lebzeiten des Tiers waren die Vögel noch etwas breiter aufgestellt als heute. Es gab verschiedene Entwicklungslinien, auch solche mit Zähnen. Den Einschlag hat allerdings nur eine überlebt, die Neornithes. Asteriornis gehörte dieser Gruppe an und war damit einer der ältesten modernen Vögel, von denen man jemals Fossilien gefunden hat.

Und das Team um Daniel Field kann den Fund sogar noch genauer zuordnen. Der Schädel weise einen Mix von Enten- und Hühnermerkmalen auf. Das Tier gehörte also zu den Galloanserae – ein Begriff, der die relativ nahe verwandten Gänse- und Hühnervögel zusammenfasst. Diese Gruppe hat in den Jahrmillionen nach dem Asteroideneinschlag immer wieder flugunfähige Riesenformen hervorgebracht, als wollte sie an ihr Dino-Erbe erinnern. Asteriornis hingegen gab es deutlich bescheidener und stelzte wie eine langbeinige Wachtel durch ein kreidezeitliches Belgien, das damals eher wie die heutigen Bahamas ausgesehen hätte.

Der Schädel von Asteriornis.
Foto: Daniel J. Field, University of Cambridge

Möglich wurde die Entdeckung nur durch hochauflösende CT-Scans. Mit freiem Auge waren an dem Stein, der das Fossil enthielt, nur einige Fragmente von Beinknochen zu erkennen. Ganz nett – aber kein Vergleich damit, was die Durchleuchtung enthüllte, nämlich den nahezu vollständig erhaltenen Schädel des Tiers. Der ermöglichte erst die genaue evolutionäre Einordnung des Tiers.

Field spricht von einer Entdeckung, wie man sie nur einmal in seinem Forscherleben mache– und dass er sich zwicken musste, um zu glauben, was ihm der Scan da einen Millimeter unter der Gesteinsoberfläche enthüllte. Er hofft, dass Asteriornis seinen Teil dazu beitragen wird, die alte Frage zu klären, warum von all den verschiedenen Vogel-Entwicklungslinien, die es in der Kreidezeit noch gab, nur eine die globale Katastrophe vor 66 Millionen Jahren überlebt hat. (jdo, 19. 3. 2020)