Im Kampf gegen das Coronavirus setzen immer mehr Staaten auf die Überwachung ihrer Bürger.

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Wer empfindlich nahe an eine infizierte Person geraten ist, bekommt einen roten Farbcode. Bei dem Besuch einer Zone, in der sich jemand mit Covid-19-Infizierter kürzlich aufgehalten hat, wird man als gelb eingestuft, ansonsten ist man grün eingefärbt und darf frei reisen: Ungefähr so funktioniert ein Service des chinesischen IT-Konzerns Alibaba Group, mit dem die chinesische Regierung das Coronavirus eindämmen möchte.

Massenüberwachung über das Smartphone

Weltweit beschäftigt die Pandemie Regierungen, die mit mehr oder weniger restriktiven Maßnahmen versuchen, die Verbreitung einzudämmen. China fällt dabei wohl am ehesten auf, doch auch andere Staaten präsentieren nach und nach, welche Instrumente sie im Bereich der Massenüberwachung im Repertoire haben – Stichwort Geotracking: Das Smartphone nutzt von GPS über die reguläre Mobilfunkverbindung unterschiedlichste Technologien, die den Standort erfassen lassen. Das sind Informationen, die über einen längeren Zeitraum gespeichert werden – und auch staatlich eingesetzt werden können, um die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Auch die US-IT-Riesen Google und Facebook erwägen, die Bewegungsströme von Nutzern zu analyisieren, um herauszufinden, wie verbreitet das Virus in den USA ist. Zudem will man herausfinden, wie effektiv eine Quarantäne ist.

Podcast: Zuerst die Pandemie, dann der Überwachungsstaat?

Auch in Europa

Was bringen die Daten überhaupt? Für die Vorhersage der Verbreitung dürften sie wenig Sinn haben, findet Professorin Caroline Buckee von der Harvard University im Gespräch mit "Wired", da ja unklar sei, wie viele tatsächlich infiziert seien. Testungen werden auch in Österreich nur im konkreten Verdachtsfall durchgeführt, dass Verbreitungsketten verlorengehen, ist also nicht unwahrscheinlich.

Aber: Die Daten seien wohl sinnvoll, um sicherzustellen, dass Nutzer sich an Vorgaben wie eine Ausgangssperre halten. Diese Methode ist auch hierzulande zum Einsatz gekommen, der Mobilfunker A1 erstellte für die Regierung Bewegungsstromanalysen. Nach eigenen Angaben anonymisiert. In Deutschland erhält das Robert-Koch-Institut Daten von Telekomanbietern. Und auch in Italien wird ähnlich agiert, um herauszufinden, ob Nutzer zu Hause bleiben. Wichtig sei laut Buckee bei einer solchen Verwendung jedenfalls, dass es nicht möglich ist, Rückschlüsse auf Nutzer zu ziehen.

Südkorea setzt auf individuelle Bewegungsprofile

Ein wenig anders ist die Situation in Südkorea, einem Land, das aufgrund seines Umgangs mit der Krise immer wieder gelobt wird – dort wird flächendeckend getestet. Gemeinsam mit Smartphone-Tracking wird so eruiert, wie sich die Krankheit ausbreitet. Dabei werden Daten wie Kreditkartentransaktionen von Infizierten und Aufnahmen von Überwachungskameras eingesetzt, die mit den behördlichen Informationen über nachweislich Infizierte kombiniert werden. Nutzer können dann sehen, wo sich Personen mit dem Virus aufgehalten haben.

Gesichtserkennung und automatische Fiebermessung

Die chinesische Regierung greift zu noch restriktiveren Mitteln. Da die Verwendung der meisten Dienste in China einen digitalen Ausweis vorsieht, ist es möglich, in Erfahrung zu bringen, ob ein Bürger Kontakt mit nachweislich Infizierten hatte. Ist das der Fall, wird man benachrichtigt und in Quarantäne geschickt – gelb heißt sieben Tage, rot 14. Zusätzlich wird ein massives Netz an Überwachungskameras mit Gesichtserkennungstechnologien angewandt. An öffentlichen Orten werden diese in Verbindung mit automatisierten Fiebermessungen genutzt, um möglicherweise Erkrankte zu identifizieren.

Das israelische Kabinett entschied unterdessen am Dienstag die Überwachung von Coronavirus-Infizierten und -Verdachtsfällen. Dabei setze man auf Methoden, die normalerweise gegen Terroristen zum Einsatz kämen. Demnach ist eine Massenüberwachung via Geotracking vorgesehen. Kritik gab es, da das Justizministerium die Maßnahmen zunächst durch das Parlament bringen wollte, dieses aber schlussendlich umgangen wurde. Gleichzeitig will die umstrittene Spyware-Firma NSO Group ihre Software zur Smartphone-Nutzer-Überwachung anbieten, um die Ausbreitung zu stoppen.

Positiver Wirtschaftsfaktor für Überwacher

Das zeigt: Für IT-Konzerne, die sich auf Überwachungstechnologien spezialisieren, ist die Pandemie ein positiver Wirtschaftsfaktor. Denn während die meisten Unternehmen ihre Pforten schließen müssen und wirtschaftliche Rückschläge einstecken, sind es die großen IT-Firmen, die von der Lage profitieren – ihre Software und Dienstleistungen sind nämlich gerade auf dem Höhepunkt der Ausbreitung besonders gefragt. (Muzayen Al-Youssef, 19.3.2020)