Am Freitag tritt der Nationalrat erneut zu einer Krisensitzung im Zeichen des Coronavirus zusammen.

Foto: APA/Jaeger

Nicht einmal eine Woche nachdem das Parlament in Windeseile erste Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus beschlossen hat, steht am Freitag schon die nächste wichtige Sitzung des Nationalrates an. Um die drohende Verschärfung der Krise zu bewältigen, wurden weitreichende Gesetzesänderungen vorbereitet: Die Regierung will in Notfällen per SMS warnen; Zivildiener sollen zur Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur einsetzbar sein; Sanitäter und Turnusärzte bekommen außerordentliche Befugnisse; die Justiz pausiert ihre Verfahren, und Kulturschaffende sollen ökonomisch gestützt werden. Der STANDARD hat sich einen Überblick über die neuen Corona-Gesetze verschafft:

WARNSYSTEME

In Notfällen muss die Bevölkerung gewarnt werden. In Österreich ist das gar nicht so einfach, einheitlich alle Bürger zu erreichen. Zwar gibt es das Warnsystem Katwarn, das auch weiterhin zum Einsatz kommt. Das müssen Nutzer allerdings zunächst selbst einrichten, bevor sie Benachrichtigungen empfangen. Die Bundesregierung will daher Telekomanbieter dazu verpflichten, von ihr verfasste Warnungen an deren Kunden per SMS weiterzuverbreiten. Aus Zeitgründen soll das auch formlos geschehen. Bisher durften Telekombetreiber freiwillig entscheiden, ob sie mitwirken wollen. Aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses soll nun bei Nichtbefolgung eine Strafe von bis zu 37.000 Euro auferlegt werden können. (muz)

GESUNDHEITSPERSONAL

Medizinische und pflegerische Leistungen dürfen im Normalfall nur von Profis ausgeübt werden – für die Corona-Krise wird das vielerorts aufgeweicht. Sanitäter dürfen etwa künftig auch Abstriche in Mund und Nase durchführen. Außerdem kann man während der Pandemie als Sanitäter arbeiten, ohne die dafür regulär nötigen Auffrischungskurse belegt zu haben. Das trifft viele Männer, die während des Zivildiensts vor etlichen Jahren als Sanis tätig, seither aber inaktiv waren. Auch im Bereich der Krankenpflege werden die Ausbildungskriterien für viele Tätigkeiten nach unten gefahren. Pensionierte Ärzte und Turnusärzte, denen es eigentlich an Zertifikaten mangelt, werden ebenfalls mit mehr Kompetenzen ausgestattet. (ta)

Sanitäter dürfen künftig mehr, etwa Abstriche machen. Zivildiener können auch zur Sicherung der kritischen Infrastruktur herangezogen werden.
Foto: APA/Techt

ZIVILDIENER

Die Regierung mobilisiert seit Wochenbeginn zusätzliche Zivildiener: Rund 4.500 werden zur Verlängerung verpflichtet, Ex-Zivis werden zu einer freiwilligen Meldung aufgefordert. Um die Zivildiener in Krisenzeiten flexibel und weitreichend einsetzen zu können, treten für den außerordentlichen Zivildienst geänderte Regelungen in Kraft, die so historisch erstmals schlagend werden. Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger kann damit per Verordnung festlegen, dass Zivis auch zur Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur eingesetzt werden können. Zudem sollen sie auch bei inländischen gewinnorientierten Unternehmen zum Dienst herangezogen werden können. Diese Firmen müssen dem Staat allerdings die Kosten für die Zivis erstatten. (ta)

JUSTIZ

Das Justizsystem soll in eine Art Winterschlaf fallen. Fristen werden unterbrochen und ab 1. Mai neu gestartet. Verwaltungsstrafverfahren und Asylverfahren werden ausgesetzt. Verhandlungen sollen nur in Fragen der Haft oder von Leib und Leben durchgeführt werden, dabei setzt das Justizministerium auf Videotelefonie bei Einvernahmen. Das könnte auch auf Hauptverhandlungen ausgeweitet werden. Prozesse, die pausieren, sind etwa der Buwog-Prozess oder der Prozess gegen einen ehemaligen Bundesheeroberst, der für Russland spioniert haben soll. Scheidungskinder sollen weiterhin beide Elternteile sehen dürfen. Dies stellte das Justizministerium klar, nachdem es zuvor mitgeteilt hatte, dass Kinder den nicht betreuenden Elternteil weder besuchen noch von diesem besucht werden dürfen. (fsc)

GEFÄNGNISSE

Viele Menschen auf engem Raum unter kargen Bedingungen: Gefängnisse könnten sich rasch zu Hotspots für das Coronavirus entwickeln. Deshalb hat Justizministerin Alma Zadić Vorschläge geliefert, wie Insassen geschützt werden können. So sollen statt persönlicher Besuche Telefonate oder Videokonferenzen durchgeführt werden. Freigänge sind gestrichen. Infizierte oder Verdachtsfälle sollen als vollzugsuntauglich gelten, ihre Haft sollen sie erst nach der Genesung antreten, im Notfall kann auch eine andere Form des Vollzugs stattfinden. Wer seine anderen Strafbestimmungen nicht leisten kann (etwa Fußfessel), muss nicht in Haft. Justizwachebeamte arbeiten in Teams, die miteinander nicht in Kontakt kommen sollen. (fsc)

KUNST UND KULTUR

Da die noch im alten Epidemiegesetz enthaltene Abgeltung für abgesagte (Kultur-) Veranstaltungen gestrichen wurde, braucht es andere Maßnahmen, um die existenzbedrohende Situation der tausenden Alleinunternehmer im Kreativsektor abzufedern. Die Regierung setzt im neuen Corona-Gesetz auf den Künstlersozialversicherungsfonds, der im Jahr 2020 fünf Millionen Euro mehr an Beihilfen ausschütten können wird. Gelten soll dies nunmehr auch für Kulturvermittler. Für Yvonne Gimpel von der Interessenvertretung IG Kultur ist das aber nur ein "wichtiger erster Schritt": Der Fonds decke "nur einen Bruchteil des Spektrums jener ab, die das Kulturleben, wie wir es kennen, aufrechterhalten". Vor allem der Non-Profit-Sektor brauche weitere Hilfen. (stew)

(red, 19.3.2020)