Erhofft sich eine Stärkung durch die roten Mitglieder: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

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Das erste Mal in der Geschichte der SPÖ lässt eine Parteichefin über sich selbst abstimmen. In der trotz Corona-Krise nach wie vor laufenden SPÖ-Mitgliederbefragung geht es um die Zukunft der Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner. Wie nachhaltig sie sein wird, bleibt angesichts der niedrigen Umfragewerte der SPÖ abzuwarten. Gleichzeitig wird in einigen roten Wiener Bezirksparteien der Ruf nach einer noch stärkeren Einbindung der Mitglieder lauter. Aus ihrer Sicht könnte eine "echte" Direktwahl des Bundesvorsitzes ein geeignetes Mittel dafür sein. Dass der Wiener Landesparteitag Mitte Mai – sofern er in Zeiten von Corona stattfinden kann – einen Konsens für diesen Vorschlag bringt, glaubt niemand ernsthaft. Aber es soll darüber diskutiert werden, wünschen sich einige Genossen. Jedenfalls mehr als früher.

"Das wird unserer Bewegung nicht schaden"

Ein Bezirk, der einen Antrag zweier roter Jugendorganisationen unterstützt hat, ist Ottakring. "Ich bin dafür", sagt die stellvertretende Bezirksparteivorsitzende und Abgeordnete Nurten Yilmaz. "Wenn wir mehr Leute in der Partei einbinden möchten, müssen wir bedenken, dass sie mehr Ansprüche haben als vor 50 Jahren." Irgendwann müsse sich die SPÖ daran anpassen und etwas probieren. "Das wird unserer Bewegung nicht schaden." Der Vorwurf, dass Vorsitzende und Kandidaturen hinter verschlossenen Türen ausgemacht würden, sei zwar ein "gemeiner", weil diese Entscheidungen schon jetzt demokratisch verliefen, sagt Yilmaz, "die Direktwahl könnte diesen Vorwurf aber zurückzudrängen".

Etwas gespaltener sieht man das in der Leopoldstadt. Dort wurde ein Antrag auf Direktwahl "knapp" angenommen, sagt Hannes Jarolim, der Chef der Bezirkspartei. Der frühere Abgeordnete steht dem Thema zwar offen gegenüber, hat aber in der Bezirkskonferenz dagegen gestimmt. Er sieht den Antrag der roten Jugend als eine "Hauruckaktion mit Protestgehalt". Eine Direktwahl verlange nach einer intensiven Diskussion, damit am Ende die Sachlichkeit im Vordergrund stehe und sich nicht "die Egomanen mit ihren Ellbogen und die Show durchsetzen", sagt Jarolim.

Auf der Suche nach einem geeigneten Modell

Die Diskussion über eine Direktwahl des Bundesvorsitzes ist nicht neu. Durch den Mitgliederentscheid bei der deutschen Schwesterpartei SPD 2019 wurde sie aber wieder befeuert. Dort habe sie funktioniert, argumentieren einige Wiener Genossen.

Andere sehen die Erfahrung der SPD als einen Grund gegen die Direktwahl. "Soweit ich das sehe, gibt es dort durch die neuen Vorsitzenden keinen deutlichen Zuspruch bei den Wählern", sagt Andreas Höferl, roter Klubdirektor im Rathaus und Bezirkschef in Währing. Selbst die Parteimitglieder hätten sich wenig für die Vorsitzwahl interessiert. Nur knapp mehr als die Hälfte der stimmberechtigten 425.630 SPD-Mitglieder stimmte ab. "Man kennt die Leute oft zu wenig", meint Höferl. Das sei bereits im Bezirk schwierig, auf Landes- und Bundesebene umso mehr. Eine Direktwahl sei auch keine Garantie dafür, dass der oder die Gewählte eine Politik vertritt, die die Wähler goutieren. Höferl plädiert daher dafür, die Mitglieder eher über den inhaltlichen Kurs abstimmen zu lassen.

Der Vorsitzende der SPÖ Hernals, Josef Cap, kann einer Direktwahl wiederum durchaus etwas abgewinnen. Auch in seinem Bezirk wurde kürzlich ein dahingehender Antrag beschlossen. Cap wünscht sich eine Arbeitsgruppe in der SPÖ, in der ein konkreter Plan dafür ausgearbeitet werden soll. "Ohne ein Modell ist eine Direktwahl sinnlos, es braucht aber eines, das durchführbar ist", sagt Cap. Es dürfe nicht in "17 Kandidaten und sechs Monate" Selbstbeschäftigung ausarten, wie Cap die Wahl der Genossen in Deutschland überspitzt kritisiert.

Linz probiert's

Der ehemalige Parlamentarier beobachtet vor allem den Versuch des Linzer Bürgermeisters Klaus Luger auf Kommunalebene. Auch wenn er nun wegen der Corona-Krise vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Seit Montag sollten die Linzer SPÖ-Mitglieder eigentlich ihren Bezirksparteivorsitzenden sowie Kandidaten für die Bürgermeister-Direktwahl 2021 in Linz wählen können. Gesundheit soll nun vorgehen, aber die Idee bleibt: "Künftig sollen alle Spitzenkandidaten aller Ebenen durch die Mitglieder legitimiert werden", sagt die Linzer Bezirksgeschäftsführerin Claudia Hahn. Luger hat keinen Gegenkandidaten – noch, meint Hahn: "Das müssen wir alle gemeinsam als Organisation noch lernen." Vielleicht gebe es beim zweiten oder dritten Mal schon mehr Kandidaten. "Es ist kein Fehler, wenn sich mehrere Kandidaten einer Vorwahl stellen und dadurch ihre Positionen schärfen. Dann haben die Mitglieder eine echte Wahl", sagt Hahn.

Mit der Direktwahl ist auch eine Mitgliederabstimmung verbunden. Sechs Fragen werden gestellt, die meisten zu teils kontroversen stadtpolitischen Themen, etwa zu Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Die Mitglieder werden auch gefragt, ob sie das Linzer Modell der Direktwahl auf Land und Bund ausweiten wollen.

Der Zukunftskongress der Bundes-SPÖ, der über Rendi-Wagners Zukunft entscheiden könnte, kommt dem Ergebnis der Linzer Befragung wohl zuvor. Ob er Corona-bedingt stattfinden kann, wird erst entschieden. Bis dahin bleibt auch offen, ob die Corona-Krise der Ärztin eher nützt oder schadet.

Video-Appell an SPÖ-Mitglieder: "Bleibt zu Hause"

Am Freitag richtete sich die rote Parteichefin Rendi-Wagner an die SPÖ-Mitglieder. Diese sollen an der bis 2. April laufenden Mitgliederbefragung derzeit nur online und nicht per Post teilnehmen. Ein entsprechendes Video-Statement wurde per Mail an die Mitglieder versandt. "Es gibt derzeit keinen Grund, deshalb die Wohnung oder das Haus zu verlassen. Bleibt also zu Hause", sagt Rendi-Wagner. (Davina Brunnbauer, Jan Michael Marchart, 20.3.2020)