Gerade einmal drei Wochen ist es her, dass der türkische Präsident Tayyip Erdoğan mit seiner Grenzöffnung für Flüchtlinge die europäische Politik gehörig durcheinandergeschüttelt hat. Vorbei war es mit der Ruhe, die sich die EU beim Herrscher vom Bosporus erkauft hatte. Denn urplötzlich sorgten wieder die Bilder der Verzweifelten an Europas Einfallstoren für Schlagzeilen – ganz nach Erdoğans Geschmack, der die Migranten als Faustpfand ins Spiel brachte, um bei der EU mehr Geld für die Versorgung der Flüchtlinge in seinem Land zu erpressen.

Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan.
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Sein zynisches Kalkül wäre wohl auch aufgegangen, hätte sich nicht zeitgleich eine wenngleich unsichtbare, tatsächlich aber weit bedrohlichere Gefahr aufgetürmt. Seit Corona hat Europa keine Nerven mehr für die Probleme der Flüchtlinge, egal ob sie auf Lesbos dahinvegetieren oder im Niemandsland zwischen Griechenland und der Türkei. Und schon gar nicht für Erdoğans Provokationen.

Mit vagen Versprechungen abgespeist, musste der Präsident nun einsehen, dass er mit seiner Taktik gescheitert ist – und nutzte seinerseits die Corona-Krise, um zurückzurudern und die Grenze wieder zu schließen.

Das Problem an der EU-Südgrenze wird aber auch noch da sein, wenn die Corona-Plage dereinst besiegt ist – und wird Europa dann mit umso größerer Wucht treffen. Auf Dauer wegschauen und kleinreden ist auch hier keine gute Idee. (Florian Niederndorfer, 19.3.2020)