Die Wiener Künstlerin Maria Peters wohnt im sechsten Bezirk und beobachtet gerne das Leben auf der Straße. Derzeit hält sich aber das soziale Inspirationsmaterial in Grenzen.

"Ich liebe es, aus dem Fenster zu schauen und das Straßenleben zu beobachten. Das inspiriert mich im Wohnen und vor allem in meiner Arbeit, die ja den Rückzug und die Einsamkeit von mir verlangt. Außerdem rhythmisiert es mein Leben, denn die Interaktion mit dem Sonnenverlauf und den Kindern im Innenhof und auf dem Spielplatz gibt mir Orientierung über Jahreszeit, Wochentag und Uhrzeit.

In der Früh sitze ich um acht am Küchentisch, während im Kindergartenhof die ersten Kids draußen spielen. Am Vormittag arbeite ich in einem verhältnismäßig stillen Arbeitsraum. Und am Nachmittag füllt sich mein Atelier mit dem Lärm vom benachbarten Kinderspielplatz, denn direkt vor meinem Haus liegt ein kleiner Grätzelpark mit Spielgeräten und Ballspielkäfig.

Maria Peters beobachtet gerne das
Straßenleben von oben. Derzeit sieht sie viel Angespanntheit.
Foto: Lisi Specht

Am ehesten würde ich die Soundkulisse mit einem Schwimmbad vergleichen. Es ist ein Stimmengewirr mit Schreien und Klangfetzen aus unterschiedlichen Sprachen. Doch so laut es manchmal auch ist: Spannend finde ich, dass die Großen und die Kleinen, die Mädchen und Burschen durchaus in der Lage sind, sich Reviere und Benützungszeiten auszuhandeln. Es kommt fast nie zu Streit, und diese Aushandlungsrituale, diese sozialen und kommunikativen Kompetenzen, die hier sichtbar werden, verblüffen mich jeden Tag aufs Neue. Ganz anders in den Sommerferien, wenn der Spielplatz mit Aufsichtspersonen und Animateuren bestückt wird. Dann wird es laut und chaotisch. Diese Beobachtung gibt mir pädagogisch zu denken.

Ihr Atelier füllt sich an "normalen" Nachmittagen mit dem Lärm vom benachbarten Kinderspielplatz.
Foto: Maria Peters

Jetzt ist alles anders. Ich schaue beim Fenster raus, sitze am Fensterbrett, genieße das warme Wetter und lasse mich zum ersten Mal im Leben von der Straße aus fotografieren, weil die Fotografin aufgrund der Corona-Maßnahmen meine Wohnung nicht betreten darf. Die Kinderspielplätze sind still, die Straßen fast ausgestorben, und wenn ab und zu jemand durch die Gasse geht, erkennt man von hier oben eine gewisse Angespanntheit durch die Ansteckungsgefahr, wie ich vermute. Die Zeit fühlt sich an wie ein ewiger Sonntag.

"Ich bezeichne diese Montagen als Artnografien."
Foto: Maria Peters
Pfannen sind eine Wissenschaft für sich, meint Maria Peters. Sie kocht gern und nennt sich eine Sammlerin von Pfannen.
Foto: Maria Peters

Die Tiere hingegen scheinen sich von Tag zu Tag wohler zu fühlen. Die Vögel und abends die Marder erobern sich nun den für Menschen geschlossenen Park zurück, ungeniert hopsen sie herum. Unsere verordnete Ruhe scheint ihnen zu bekommen. All diese Beobachtungen beeinflussen in gewisser Weise meine Arbeit als Chronistin, indem ich das Gesehene und Gedachte zu Werken und Werkzyklen in Schrift- und Bildform weiterverarbeite. Ich bezeichne diese Montagen als Artnografien.

Ich bin also eine Sammlerin von Beobachtungen und Erinnerungen – und von Pfannen. Ich koche gerne, und je nach Materie, Produktgröße, Wunschtemperatur und Saucenbedarf, braucht man eine eigene Stahl-, Teflon- oder Gusseisenpfanne. Das ist eine Wissenschaft für sich! Abgesehen davon ist meine Wohnung – eine 70 Quadratmeter große Mietwohnung – eher unaufgeregt eingerichtet. Ich bin schon oft umgezogen, und so gesehen ist die Einrichtung eher eine zusammengestellte Collage aus ganz unterschiedlichen Dingen.

Ich bin Nomadin im Herzen. Wohnen ist für mich etwas Vorübergehendes. Sobald sich die Rahmenbedingungen ändern, bin ich samt all meinen Pfannen vielleicht auch wieder dahin. Und vielleicht findet sich etwas Besseres, etwas Ideales, vielleicht sogar die Utopie. Ein langjähriges Motto in meiner Arbeit heißt ,In Search of Atlantis‘. Mir ist durchaus gegenwärtig, dass der Mensch nie wirklich gut werden wird. Aber doch, man muss so tun, als ob, besonders jetzt. Mein neuestes Motto heißt deshalb: Idealismus als Notkonzept." (Wojciech Czaja, 23.3.2020)