Ohne Erntehelfer wird es nicht gehen.
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Wien/Marchfeld. Es war am 13. März, als die erste Stange Spargel aus der Erde emporragte – der Beginn der Erdbeer- und Spargelsaison zeichnete sich bereits ab. Was für uns als Landwirte normalerweise ein Tag der Freude ist, war diesmal von einer anderen Gefühlslage begleitet: Ratlosigkeit und Sorge.

Zu diesem Zeitpunkt war es schon 17 Tage her, dass die ersten Infektionen mit dem Virus Sars-CoV-2 in Österreich bekannt wurden. Auch wenn die Regierung schon einschneidende Maßnahmen getroffen hatte, waren die Grenzen noch offen. Aber schon damals hatte man eine Vorahnung, dass das nicht so bleiben würde. Also haben wir und andere Bauern noch versucht, soweit möglich Ernteelfer zu mobilisieren, obwohl es noch nicht genug Arbeit für sie gab. Doch bis Anfang dieser Woche waren die Grenzen in Europa de facto zu – teils schon rekrutierte Arbeitskräfte wurden an der ungarischen Grenze abgewiesen und mussten zurück nach Rumänien.

Ohne ausländische Arbeitskräfte keine österreichische Landwirtschaft

Nun stehen nicht nur die Spargelbauern vor großen Existenzängsten, denn ohne ausländische Arbeitskräfte kann die österreichische Landwirtschaft schlicht und ergreifend nicht funktionieren. Dafür gibt es zu wenige österreichische Arbeiter, die bereit sind, die harte Arbeit auf den Feldern zu tun. Und wenn die Krise weiter andauert, bleibt es nicht beim Spargel: Im April betrifft es die Erdbeerbauern, im Sommer Getreide- und Maisbauern. Je nachdem, wie lange die Ausnahmesituation aufgrund des Virus in Europa anhält, könnten selbst Zwiebel-, Erdäpfel- und Weinbauern im Herbst betroffen sein.

Wenn man sich die Situation vor Augen führt, merkt man: Die Produkte eines gesamten Jahres drohen in und über der Erde zu verfaulen, weil einfach niemand da ist, um sie zu ernten. Die meisten Branchen werden den entgangenen Umsatz der folgenden Wochen und Monate zumindest teilweise nachholen können. Diesen Vorteil haben Gastronomie, Kunst & Kultur und eben die Landwirtschaft nicht. Wenn die Ausnahmesituation bis Herbst anhält, wird es für viele Betroffene erst wieder nächstes Jahr die Möglichkeit geben, Umsatz zu machen.

Manche werden diese noch nie dagewesene Situation überleben, viele aber wird der wirtschaftliche Ruin treffen. Ein Jahr komplett ohne Einkommen ist eine Herausforderung, der nur die wenigsten Betriebe finanziell gewachsen sind – vor allem im landwirtschaftlichen Bereich, wo laut Statistik Austria seit 2010 im Schnitt 4,5 Bauernhöfe pro Tag (!) zusperren. Diese Entwicklung wird im neuen Jahrzehnt durch die drohenden Ernteausfälle deutlich beschleunigt werden, wenn unsere Entscheidungsträger nichts tun. Dann wird Österreich in zukünftigen Krisen noch stärker von ausländischen Lebensmitteln abhängig sein und kann sich nicht selbst versorgen. Auch auf die Produktionsbedingungen haben wir dann keinen Einfluss mehr.

Arbeitskräfte und Einkaufsverhalten

Doch was müsste getan werden, um das zu verhindern? Das Problem liegt eindeutig auf der Hand: Es fehlt an Arbeitskräften. Doch obwohl das Bundesheer auf Staatskosten wirtschaftlich starken Konzernen wie Rewe und Spar bei der Bewältigung der Situation hilft, dankt man den Bauern in Sonntagsreden und richtet eine Online-Plattform zur Vermittlung von Arbeitskräften ein – bisher basierend auf dem Prinzip Hoffnung und mit mäßigem Erfolg. Währenddessen kontaktieren uns schon private Firmen, die – natürlich gegen ein fürstliches Entgelt – Arbeitskräfte vermitteln wollen. Eine Aufgabe, die in dieser besonderen Situation eindeutig der Staat übernehmen sollte – wenn man die Wichtigkeit einer gesicherten Lebensmittelgrundversorgung auch ernst nimmt und nicht nur vor den Medien betont.

Warum ein Bundesheerrekrut den Verkauf von Lebensmitteln durch einen Konzern mit seiner Arbeitskraft unterstützen kann, das für die Bauern in der Produktion dieser Lebensmittel aber nicht möglich sein soll – hier warten viele Bauern noch auf eine Erklärung durch die zuständigen Minister. Doch selbst wenn die Ernte gelingt, ist noch vollkommen offen, wie wir unsere Produkte verkaufen wollen. Wenn unsere Kunden uns aufgrund der aktuellen Lage im Ab-Hof-Verkauf ausbleiben und auch die größtenteils geschlossene Gastronomie kaum etwas verwerten kann, werden viele hochwertige Lebensmittel weggeschmissen.

Daher spielen Sie als Verbraucher eine Schlüsselrolle. Informieren Sie sich, wie Sie regionale Lebensmittelproduzenten unterstützen und deren Produkte erwerben können – viele Bauern arbeiten mit Lieferdiensten zusammen oder liefern selbst aus. Kaufen Sie grundsätzlich immer regional, wo es geht – in dieser Krise ist das aber besonders wichtig. Sonst werden Sie nächstes Jahr vielleicht nicht mehr die Möglichkeit dazu haben. (Georg Sulzmann, 25.3.2020)