Gut vier Monate vor dem erträumten Eröffnungstermin der Sommerspiele der 32. Olympiade wurde das olympische Feuer am Freitag in Japan empfangen – ohne großes Tamtam auf einer Luftwaffenbasis 400 Kilometer nordöstlich der Olympiastadt Tokio. Der bis 24. Juli anberaumte Fackellauf soll am 26. März besonders symbolträchtig in Fukushima beginnen. Die Olympier, allen voran Thomas Bach, der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), halten trotz immer lauter werdender Kritik eine Verschiebung der Spiele für "jetzt nicht verantwortlich" und für "verfrüht".

Das olympische Feuer hat Japan am Freitag erreicht. Die Olympiasieger Saori Yoshida (Ringen) und Tadahiro Nomura (Judo) halten es fest.
Foto: EPA/KIMIMASA MAYAMA

Für Österreichs erfolgreichsten Olympiasportler, den ehemaligen nordischen Kombinierer Felix Gottwald, hat die Frage, ob die Spiele in Tokio trotz der Corona-Pandemie planmäßig stattfinden können, keine Priorität. Der 44-jährige Salzburger, mit seiner Familie, der Frau und den beiden noch nicht schulpflichtigen Töchtern daheim in Ramsau, geht mit dem IOC nicht zu hart ins Gericht, "obwohl man sich der Realität stellen müssen wird und die Sache gar nicht mehr richtig sportlich ablaufen könnte". Immerhin könnte das Bemühen, die Flamme hochzuhalten, "symbolisch dafür stehen, dass die Welt wieder einmal vereint sein wird", jetzt, da sich alle abschotteten. "Das wäre eine Geschichte, die der Sport schreiben könnte. Sie ist jetzt nur nicht aktuell."

Neuordnung

Für Gottwald, der an vier Winterspielen teilnahm und insgesamt sieben Medaillen gewann, darunter drei aus Gold, ist aktuell, dass sich durch die Pandemie die Welt insgesamt verändert. "Sie ordnet sich neu. Und so wird sich auch der Sport ändern und neu ordnen. Das Alte erhält man nicht. Mit ‚schneller, höher, stärker‘ sind wir durch." Der Autor, Coach und Vortragende, aktuell nur als Teilhaber eines Start-ups namens "Ich plus" zur Direktversorgung mit Frischobst- und -gemüse noch im Geschäft, sieht in der aktuellen Situation eine Chance, Tempo herauszunehmen, sich auf Wesentliches zu besinnen.

Gottwald hat in der Quarantäne Obst, Gemüse und Gedanken.
Foto: Bernhard Eder

Ausdrücklich für die gesundheitlich nicht unmittelbar Betroffenen und wirtschaftlich nicht existenziell Bedrohten sei es eine "sanfte, friedliche Krise". Das Virus habe sich unter "den Mantel des Wirtschaftswachstums geschoben", als ob es schon länger darauf gewartet hätte. "Es ist längst fällig gewesen, das ständige Mehr zu beenden. Sanftes Gesundschrumpfen gebe es nicht mehr, "jetzt geht das plötzlich exponentiell". Innerhalb einer Woche würden aber auch Träume Realität. "Die Klimaziele, deren Erreichen nicht für möglich gehalten wurde, werden wir zum Beispiel mit links schaffen."

Bewegung und Stillstand

Für Gottwald, den ewigen Bewegungsprediger, der im STANDARD Österreich auch schon sehr pointiert als "Schnitzel- und Spritzernation" bezeichnet hatte, erlebt die Gesellschaft durch die Krise "eine Renaissance der Bewegung und Gesundheit wie noch nie, obwohl der Spitzensport stillsteht. Es ist paradox, es gibt keine Großveranstaltungen, und trotzdem sucht und findet man eine Möglichkeit, wie man sich fit hält." Gesundheit spiele plötzlich eine große Rolle, "früher war es ein Kampf gegen Windmühlen. Jetzt gibt es Bewegungsinitiativen auf allen Kanälen." Das sei auch sehr gut so, denn: "Wir werden Ausdauer brauchen."

Schließlich hofft Gottwald "ganz ohne Geringschätzung des Leids" auch, "dass die Krise lange genug dauert, damit sie nicht gleich wieder vergessen wird. Vielleicht gibt es dann einmal wirklich nicht mehr gleich und gleicher, sondern nur mehr gleich. Vielleicht haben wir dann auf Dauer nicht nur den eigenen Bauchnabel im Auge. Substanz, um das zu überstehen, werden wir noch genug brauchen, aber das Substanzlose wird dann möglicherweise weg sein und wird auch niemandem abgehen." (Sigi Lützow, 20.3.2020)