Im Presseraum des Ratsgebäudes in Brüssel: Nach EU-Videogipfeln der Regierungschefs stehen Ursula von der Leyen und Charles Michel vor leeren Sitzreihen der Journalisten.

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Für Ursula von der Leyen ist der Weg von ihrer Miniwohnung in Brüssel in ihr Büro im "Berlaymont", wie das Zentralgebäude der EU-Kommission heißt, nur ein paar Schritte. Und zwar wörtlich genommen. Die Präsidentin hatte sich vor ihrem Amtsantritt im Dezember im obersten Stock des EU-Zentralgebäudes eine kleine Garçonnière einrichten lassen.

Sie wollte ihre Arbeit so einfach und praktisch wie möglich einrichten. Wegen höchster Sicherheitsvorkehrungen für eine der mächtigsten Politikerinnen in Europa hat das einiges gekostet. Vor allem französische Medien höhnten über "die Deutsche, die sich isoliert". Das sagt niemand mehr.

In Zeiten der wachsenden Megakrise von Coronavirus und Wirtschaftseinbruch habe das "einen sehr großen Vorteil", sagt ein Mitarbeiter ihres Teams dem STANDARD. Von der Leyen ist im europäischen Krisenmanagement im Moment gleich im doppelten Sinn die zentrale Figur. Die Präsidenten der beiden anderen wichtigen EU-Institutionen sind zu Hause in Isolation: David Sassoli vom EU-Parlament, weil er aus dem Risikogebiet Italien stammt. Aus Sicherheitsgründen hat sich auch der Ständige Ratspräsident Charles Michel selbst isoliert, nachdem Brexit-Verhandler Michel Barnier aus Frankreich positiv auf den Coronavirus getestet worden war und die beiden davor physischen Kontakt hatten.

Tausende im Homeoffice

Alle drei Präsidenten, wichtigste Schaltstellen im EU-Räderwerk, und viele Tausend EU-Beamte zu Hause im Homeoffice sind aber per Telefon und Videoschaltung ständig verbunden. Die Kommissionspräsidentin hat nur die im Moment unverzichtbaren führenden Leute und Mitarbeiter im Berlaymont unmittelbar zur Verfügung: "Das Coronateam ist da, Experten für Wirtschafts- und Grenzfragen, bei Transport- und Rechtsdiensten sind da", sagt ein Sprecher. Die Hauptaufgabe der Kommission ist es im Moment, dafür zu sorgen, dass der Binnenmarkt in der Union und die Wirtschaft in den EU-Staaten nicht zusammenbrechen, und die nationalen Maßnahmen im Gesundheitsbereich zu koordinieren.

Man liefert Informationen und Verordnungen, beschließt Milliardenhilfen. Anders als in der Finanzkrise 2008 gibt es bei den Regierungschefs "keine Grundsatzdebatten", ob riesige Rettungsfonds gebraucht werden, sondern es geht nur darum, wie schnell und wo. Beispiele: Freitag gab von der Leyen bekannt, dass strenge EU-Haushaltsregeln zu Staatsbeihilfen gelockert werden, um die Notmaßnahmen in den Hauptstädten "unbegrenzt" zu ermöglichen. Das solle "maximale Beinfreiheit" zur Rettung von Arbeitsplätzen und Unternehmen bringen.

Schließung der Außengrenzen

Da viele Kommissare in ihren Herkunftsländern festsitzen, wird das meiste über Videokonferenzen abgewickelt. Nächste Woche tagt das EU-Parlament, um die beim EU-Gipfel beschlossenen Maßnahmen in Gesetze zu bringen, etwa 25 Milliarden Euro aus bestehenden Töpfen zur Strukturförderung. Abgestimmt wird per E-Mail.

Von der Leyen hat von den Regierungschefs den Auftrag, die Schließung der EU-Außengrenzen umzusetzen. Im Gegenzug arbeite man daran, wie man in ein paar Wochen die Sperrung der nationalen Binnengrenzen wieder öffne, heißt es im Berlaymont. Aber das ist noch Zukunftsmusik. (Thomas Mayer aus Brüssel, 20.3.2020)