Trotz Desinfizierens ohne Ende: Am Freitag ereilte den Nationalrat die Nachricht, dass sein erstes Mitglied mit dem Coronavirus infiziert ist.

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Es sollte seine erste Budgetrede sein, doch die musste Gernot Blümel (ÖVP) zur Wochenmitte kübeln: Vor kurzem hätte der Finanzminister noch von Rekordbeschäftigung und einem Haushaltsüberschuss berichten können. Doch nun ist alles anders.

Wegen der Coronavirus-Epidemie bot auch die Nationalratssitzung am Freitag reichlich Dramatik: Weil die türkis-grüne Koalition, unterstützt von der Opposition, mit 38 Milliarden Euro "einen Rettungsschirm" über ganz Österreich spannen will, gab Blümel nur eine kurze Erklärung zum Budget ab.

Die Gesundheit der Bevölkerung, die Arbeitsplätze und die Wirtschaftsstandorte des Landes seien jetzt wichtiger, erklärte Blümel da zum wankenden Finanzhaushalt. Angesichts der größten Krise, die seine Generation je erlebt habe, rief er die Österreicher auf, "durchzuhalten – koste es, was es wolle".

Reihen gelichtet

Doch bald schon platzte die nächste Hiobsbotschaft in den Plenarsaal: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) musste bekanntgeben, dass der Abgeordnete Johann Singer (ebenfalls ÖVP) positiv auf das Coronavirus getestet worden ist – und der war im Hohen Haus am Sonntag noch vertreten.

Dabei galten die Reihen im Nationalrat am Ende dieser turbulenten Woche ohnehin schon als gelichtet: Weil ganz Tirol unter Quarantäne steht und auch einige Vorarlberger Ortschaften, reisten Mandatare aller Couleur aus den betroffenen Gebieten erst gar nicht an.

Die anwesenden Abgeordneten wiederum mussten während der Debatte im Plenarsaal auf der Galerie und in Nebenräumen Platz nehmen, um den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zu wahren und weitere Ansteckungen zu vermeiden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen verfolgte Blümels Erklärung daher gleich per Livestream von zu Hause aus.

Zu alledem sparte die Opposition rund um die milliardenschweren Hilfen nicht mit Kritik an einigen Maßnahmen von Türkis-Grün – auch wenn sich ÖVP-Klubchef August Wöginger, der von einem "rot-weiß-roten Rettungsschirm" sprach, und sein grünes Pendant Sigrid Maurer auch beim weiteren Vorgehen "einen nationalen Schulterschluss" wünschten.

Mahnende Zurufe

So waren sich Rot, Blau und Pink etwa einig, dass die Abwicklung des Härtefonds für Kleinunternehmer über die Wirtschaftskammer statt das Finanzamt, das über mehr Personal verfüge, ziemlich daneben sei. Für die Großunternehmer gebe es keinen Deckel, wohl aber für die Kleinen, urgierte Kai Jan Krainer (SPÖ) außerdem. Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) qualifizierte diese Ansinnen ebenfalls als "unerklärlich". Der Neos-Abgeordnete Sepp Schellhorn, selbst Hotelier und Gastronom in einem Salzburger Krisengebiet, gab zu, dass er dieser Tage sehr schlecht schlafe, und nannte dieses Vorgehen gar "einen Witz".

In Richtung Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte Schellhorn, im Sinne der Gesundheit der Österreicher ginge es zwar darum, die Ansteckungskurve abzuflachen, aber: Die Unternehmer durchliefen derzeit eine Kurve, die den steil abfallenden Wänden des Matterhorns gleiche. Sein eindringlicher Appell an den Grünen und die anderen Koalitionsspitzen auf der Regierungsbank: "Bitte schicken Sie uns nicht im Kreis!" Gemeint war damit, dass das Finanzamt mit der Abmilderung der Härten für die Betriebe betraut werden soll, stattdessen schicke man dort die Mitarbeiter in den Zeitausgleich.

Weitere Tests angeordnet

Trotz hohen Debattierbedarfs musste die Sitzung wegen der schlechten Neuigkeiten rund um den Abgeordneten Singer für eineinhalb Stunden unterbrochen werden. Erst danach ging es wie geplant weiter. Jene Kollegen, die mit Singer bei der Sitzung am Sonntag Kontakt hatten, seien "unverzüglich" getestet worden, um eine weitere Verbreitung des Coronavirus im Nationalrat zu verhindern, erklärte Sobotka. Dabei soll es sich um vier bis fünf Personen aus dem ÖVP-Klub handeln, war zu hören, parallel dazu wurde vom Nationalratspräsidenten die Handlungsfähigkeit des Parlaments betont.

Die Oppositionsparteien stimmte trotz Kritik auch dem zweiten Coronavirus-Paket der Regierung zu, das nur wenige Tage nach dem ersten geschnürt wurde und das fünf neue Gesetze sowie 39 Gesetzesänderungen enthält. Der Nationalrat segnete das Paket einstimmig ab.

Am Samstag soll der Bundesrat dem Konvolut sein Sanctus erteilen. Davor stehen freilich wieder Desinfektionsmaßnahmen an. (Jan Michael Marchart, Nina Weißensteiner, 20.3.2020)