"Du provozierst das derzeit", schrieb Hörl einem Barbetreiber, der sich angeblich gegen die Schließung seines Lokals gewehrt haben soll.

Foto: APA / JAKOB GRUBER

Die Corona-Krise ist noch nicht einmal auf ihrem Höhepunkt, und doch reißt die Diskussion um das Vorgehen der Tiroler Behörden nicht ab. Kritiker meinen, sie hätten zu lange dem Druck der Seilbahn- und Tourismuswirtschaft nachgegeben. Ein nun veröffentlichter SMS-Verkehr bringt die Branche weiter in Bedrängnis. Auf dem Blog des Tirolers Markus Wilhelm wurden Nachrichten vom ÖVP-Nationalratsabgeordneten Franz Hörl an den Betreiber der berühmt-berüchtigten Ischgler Après-Ski-Bar Kitzloch veröffentlicht. Darin appelliert Hörl, dass der Wirt seine Bar endlich zusperren soll, sonst könnte er "schuld am Ende der Saison in Ischgl und eventuell Tirol sein", so Hörl in einer der Nachrichten.

Die Nachrichten wurden laut Wilhelm am 9. März versendet. An diesem Tag wurden die Testergebnisse von 15 weiteren Personen bekannt, die sich in der Bar mit dem Coronavirus infiziert haben sollen. Noch am Abend gab das Land Tirol die Schließung der Bar bekannt. Diese sei einvernehmlich erfolgt, hieß es damals seitens des Landes.

Ein "uneinsichtiger" Wirt

Die Nachrichten Hörls machen zunächst einen anderen Eindruck: Das ganze Land schaue auf die Bar in Ischgl, schrieb Hörl dem Betreiber: "Wenn eine Kamera den Betrieb sieht, stehen wir Tiroler da wie ein Hottentotten-Staat." Hörl weiter: Sollte die Saison einbrechen, hätte der Barbetreiber "kein Geschäft" mehr. "Du provozierst das derzeit."

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Die Nachrichten geben ein weiteres Indiz dafür, wie sehr die Corona-Krise seitens der Seilbahn- und Tourismusindustrie unterschätzt wurde. Hörl schreibt: "Nach einer Woche ist viel Gras über die Sache gewachsen." Dann könne der Wirt weiter entscheiden, schrieb Hörl. Wie sich die Situation entwickeln wird, konnte Hörl selbstverständlich damals noch nicht wissen. Dennoch soll sich der mächtige Seilbahn-Lobbyist im Hintergrund bis zuletzt für eine längere Wintersaison eingesetzt haben.

Hörl bestätigt dem STANDARD die Echtheit der Nachrichten und erklärt: "Das waren eindringliche Appelle an einen aus meiner damaligen Sicht uneinsichtig agierenden Wirt." Der Wirt zeigte dem STANDARD eine Nachricht, die er laut eigenen Angaben als Antwort geschickt haben will. Darin liest sich das anders.

Dass er kein Geschäft mehr habe, wenn die Saison einbricht, wie ihn Hörl gewarnt hatte, sei ein "unternehmerischer Geheimtipp", so der Wirt zynisch. Alle Entscheidungen und Handlungen seien vom "ersten Moment mit Gesundheitsbehörde, Amtsarzt, Exekutive et cetera" getroffen worden. Überhaupt sei die Annahme, dass so schnell "Gras über die Sache gewachsen (sein) wird", (Zitat Hörl) laut dem Wirt "bemerkenswert".

FPÖ sieht Beweise

Auch die Tiroler FPÖ reagierte mittlerweile auf die Veröffentlichungen. Der Tiroler FPÖ-Landesobmann Markus Abwerzger spricht von einem "politischen Skandal". Der SMS-Verkehr beweise, dass man die laufende Saison fortsetzen wollte, heißt es in einer Aussendung. Abwerzger erwartet sich vom Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) Aufklärung. (Steffen Arora, Laurin Lorenz, Fabian Sommavilla, 21.3.2020)