Wie lassen sich die Virustests effizienter gestalten? Wiener Mathematiker beschreiben einen möglichen Ansatz.

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Es wird immer offensichtlicher: Die wichtigste Maßnahme zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie wären möglichst viele und flächendeckende Tests. Denn nur so können ansteckende Personen rechtzeitig identifiziert, isoliert und behandelt werden. Beim Personal von Spitälern, Altersheimen oder Supermärkten wäre das besonders wichtig.

Leider haben wir aber noch immer enge Kapazitätsgrenzen, wobei die Labors, die die Tests auswerten, den Engpass bilden.

Wenn also die zu geringen Analysekapazitäten das entscheidende Problem sind, kann die Mathematik helfen, um die Effizienz solcher flächendeckender Tests drastisch zu erhöhen. Die verwendete Methode heißt "Pool-Testing". Sie ist seit langem bekannt und wurde jetzt im Zusammenhang mit Corona von israelischen Wissenschaftern propagiert.

25 Proben gemeinsam analysieren

Die Idee ist ganz simpel: Anstatt jede einzelne Probe zu analysieren, fasst man sie in Pools zusammen, zum Beispiel jeweils 25 Proben. Aus 25 zufällig zusammengefassten Proben wird ein Teil der Substanz entnommen (nur ein Teil, damit die Probe nachher noch einmal analysiert werden kann) und in einen gemeinsamen Topf ("Pool") geworfen. Dann wird dieser Pool analysiert. Der entscheidende Punkt: Wenn der Test negativ ausfällt, dann ist das Testergebnis, dass alle 25 Personen negativ sind. Man kann sich also dem nächsten Pool zuwenden. Wenn der Test positiv ausfällt, dann müssen die 25 Proben jeweils einzeln analysiert werden.

Hier ein kleines Rechenbeispiel, welch enormen Effizienzgewinn man mit dieser einfachen Methode erreichen kann. Gehen wir davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer positiven Probe kleiner als ein Prozent ist (was zurzeit in Österreich bei flächendeckenden Tests der Fall wäre). Die Wahrscheinlichkeit, einen Pool von 25 Proben als positiv zu identifizieren, ist dann kleiner als 25 Prozent. Das heißt, mindestens drei Viertel der Proben werden schon im ersten Schritt als negativ aussortiert. Danach muss dann ein Viertel der Proben noch einmal einzeln analysiert werden, was ja ohne diese Methode ohnehin passiert wäre. Unterm Strich reduziert man die Anzahl der Tests damit auf etwa ein Viertel, ohne die Aussagequalität des Ergebnisses zu verschlechtern.

Nur noch 67 Analysen für 1000 Personen

Wir gehen nicht näher auf Verfeinerungen dieses Verfahrens ein, was für Mathematiker durchaus reizvoll wäre. Nur so viel: Dieses Verfahren kann noch weiter durch optimale Poolgröße, Staffelung der Pools et cetera verfeinert werden, allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Bei einer Wahrscheinlichkeit eines positiven Tests von einem Prozent kann man mathematisch folgende Aussage beweisen: Die Effizienz des Verfahrens erhöht sich bestenfalls um einen Faktor von 100/(log_2 (100)). Dies ergibt einen numerischen Wert von etwa 15. Das heißt, um eine Gruppe von 1.000 Leuten zu testen, bräuchte man nur noch überschaubare 67 Analysen.

Diese Feinheiten sind aber nicht der entscheidende Punkt. Die zentrale Botschaft wird schon anhand der simplen Überlegung im vorhergehenden Absatz klar: Durch Pooling können viel mehr Personen effektiv getestet werden.

An der Med-Uni Wien diskutiert

An der Med-Uni Wien, um nur ein Beispiel zu nennen, wird der Einsatz des "Pool-Testing" seit Wochen diskutiert, und es werden die Für und Wider abgewogen. Bisher kam das Verfahren noch nicht zum Einsatz. Der zentrale Grund: Wegen der beschränkten Kapazitäten konnten nur Personen mit Krankheitssymptomen getestet werden. In dieser Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Tests in der Größenordnung von zehn Prozent. Die Effizienz des Poolings sinkt damit dramatisch ab, und die Pools müssten viel kleiner als 25 genommen werden. In dieser Situation wiegen die Nachteile also schwerer als die Vorteile dieses Verfahrens. Daher macht "Pool-Testing" bisher wenig Sinn.

Nun soll es aber in Richtung flächendeckender Tests gehen, also von Personen, die keine Symptome zeigen. Für diese Gruppe sollte die Positiv-Wahrscheinlichkeit unter einem Prozent liegen. Somit kann das "Pool-Testing" wesentlich dazu beitragen, dass mit den vorhandenen Ressourcen an Analysekapazitäten ein Vielfaches von Personen getestet werden kann. (Mathias Beiglböck, Philipp Grohs, Walter Schachermayer, 22.3.2020)