Zagreb nach den zwei Beben.

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Mütter mit Neugeborenen im Arm rannten aus dem Spital, große Brocken von Mauern stürzten auf die Straßen und auf Zagrebs Hauptplatz. Autos wurden unter den Ziegelbergen begraben, sogar die Spitze des Turms der Kathedrale der Himmelfahrt der seligen Jungfrau Maria im Zentrum der kroatischen Hauptstadt brach ab, als um halb sieben Uhr in der Früh ein Erdbeben die Region erschütterte.

Das Epizentrum befand sich sieben Kilometer nördlich von Zagreb, ein weiteres Beben mit einem Wert von 5,3 auf der Richterskala erfolgte eine halbe Stunde später. Das Beben war auch in anderen Teilen Mitteleuropas, etwa in Slowenien und in Kärnten und in der Steiermark, zu spüren.

Dutzende Verletzte

Die Zagreber Bürger reagierten teils panisch, weil sie einerseits die Ausgangsbeschränkungen wegen Ausbreitung der Corona-Epidemie einhalten sollten und andererseits wegen der Beben die Gebäude verlassen mussten. Manche hielten in der angsterfüllten Situation den Pandemie-Sicherheitsabstand zu anderen Menschen nicht mehr ein. Viele froren, weil es in Zagreb gerade empfindlich kalt ist. Dutzende Menschen wurden durch die herabfallenden Gebäudeteile und Ziegel verletzt, eine Jugendliche schwebt in Lebensgefahr.

Der Chef des Krisenmanagements in Zagreb, Pavle Kalinic, ordnete an, dass die Bürger sich im Freien aufhalten sollten, und betonte, dass sich Zivilschutzexperten um die Menschen kümmern werden. Denn es bleibt unklar, ob weitere Beben folgen werden. Derweilen fielen in manchen Teilen Zagrebs für kurze Zeit die Elektrizität und die Wasserversorgung aus. Premierminister Andrej Plenkovic sagte auf einer Pressekonferenz, dass es sich um das stärkste Erdbeben seit 1880 handle. Er forderte die Bürger auf, besonders achtsam zu sein, draußen zu bleiben, aber den Pandemie-Sicherheitsabstand zu wahren, wiewohl er doch einräumte: "Wir haben zwei Krisensituationen, die einander widersprechen."

Vergangene Woche wurden in Kroatien Anti-Pandemie-Maßnahmen eingeführt. So wurden alle öffentlichen Veranstaltungen verboten, Nicht-Lebensmittel-Geschäfte wurden geschlossen, mehr als fünf Menschen dürfen sich nicht gemeinsam an einem Ort aufhalten. 168 Personen wurden bis Samstag positiv getestet.

Viel zu wenige Tests in Südosteuropa

Auch in anderen südosteuropäische Staaten wurden zahlreiche Restriktionen und Grenzsperren eingeführt. So müssen sich etwa Bosnier, die zurück in ihre Heimat wollen, für zwei Wochen in Armeezelte an der Grenze begeben, ehe sie einreisen dürfen. Im bosnischen Landesteil Föderation wurde am Freitag für alle unter 18-Jährigen und für alle über 65-Jährigen eine Ausgangssperre verfügt.

Eines der größten Probleme ist der Mangel an Tests in der Region. In Bosnien-Herzegowina stehen zurzeit nur etwa 300 zur Verfügung. Niemand kann deshalb sagen, wie sehr sich das Virus in der Region ausgebreitet hat. In allen Staaten mangelt es an Beatmungsgeräten, viele Menschen haben gar keine Sozialversicherung.

Zudem nutzen manche Politiker die Situation für ihre autoritären Anwandlungen. In Bulgarien legte Präsident Rumen Radev ein Veto gegen Gesetzesentwürfe ein, die dem Militär Sondervollmachten geben und Haftstrafen für Leute vorsehen, die sich nicht an Ausgangssperren halten. (Adelheid Wölfl, 22.3.2020)