Das Gebot der Stunde heißt Abstand halten – da muss man zur Not auch flexibel sein, so wie hier die Olympischen Ringe.

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IOC-Chef Thomas Bach weicht erstmals von seinem Beharren auf dem ursprünglichen Termin ab.

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Lausanne – Binnen vier Wochen soll Klarheit über eine Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio herrschen. Das Internationale Olympische Komitee setzte sich nach einer Telefonkonferenz der Exekutive diese Deadline, schloss aber gleichzeitig eine Komplettabsage aus. Das teilte das IOC am Sonntagabend mit, nachdem der Druck bezüglich einer Entscheidung immer größer geworden war.

"Menschenleben haben Vorrang vor allem, auch vor der Austragung der Spiele. Das IOC will Teil der Lösung sein", sagte IOC-Chef Thomas Bach. Er wünsche sich, dass die Hoffnung von Athleten, Nationalen Olympischen Komitees und internationalen Verbänden erfüllt werde: "dass am Ende dieses dunklen Tunnels, durch den wir alle gemeinsam gehen, ohne zu wissen, wie lange er noch dauert, die olympische Flamme ein Licht sein wird".

Ein wenig Hoffnung bleibt dem deutschen Fecht-Olympiasieger von 1976 also noch, der sich lange gegen jegliche Diskussionen gewehrt hatte – trotz der vielen Rufe nach einer Verlegung der Tokio-Spiele. Auch ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel mahnte im STANDARD-Interview Geduld ein. Doch nachdem die Weltgesundheitsorganisation täglich steigende Zahlen an Sars-CoV-2-Infektionen und Toten vermeldete, musste das IOC handeln.

IOC spielt auf Zeit

Bach schrieb in einem Brief an die Sportler zu den möglichen Optionen: "Einerseits gibt es in Japan, wo die Bevölkerung die olympische Flamme herzlich willkommen heißt, deutliche Verbesserungen. Auf der anderen Seite gibt es einen dramatischen Anstieg der Fälle und neue Ausbrüche von Covid-19 in verschiedenen Ländern auf verschiedenen Kontinenten."

Eine Reihe von kritischen Austragungsorten, die für die Spiele benötigt würden, könnten möglicherweise nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Situation mit Millionen von bereits gebuchten Übernachtungen in Hotels sei äußerst schwierig zu handhaben, und der internationale Sportkalender für mindestens 33 olympische Sportarten müsste angepasst werden. Das seien nur einige von vielen, vielen weiteren Herausforderungen.

Bach bzw. das IOC spielt aber noch auf Zeit und hofft auf Besserung. Diese Hoffnung haben andere bereits aufgegeben. Denkbar ist eine Verschiebung der vom 24. Juli bis 9. August geplanten Sommerspiele auf den Herbst, auf Sommer 2021 oder gar auf 2022. Am wahrscheinlichsten dürfte die Verlegung um ein Jahr sein, was angesichts des fixierten Terminkalenders im Weltsport aber eben eine monumentale Entscheidung wäre.

Andere Großveranstaltungen 2021 und 2022

Im Sommer 2021 sind neben der ebenfalls verlegten Fußball-EM auch zum Beispiel die Weltmeisterschaften der Schwimmer ebenfalls in Japan, und zwar in Fukuoka, angesetzt. Auch sind die Weltmeisterschaften der Leichtathleten in Eugene in den USA vorgesehen. Gegen 2022 spricht vor allem, dass in dem Jahr die Olympischen Winterspiele im Februar und die Fußball-WM in Katar im November und Dezember stattfinden.

Eine Olympia-Verschiebung wäre eine historische Entscheidung, doch eine Absage, wie es sie in der Vergangenheit schon einige Male gegeben hat, werde es wegen des Virus nicht geben. Im Ersten Weltkrieg wurden die Sommerspiele 1916 (Berlin), im Zweiten Weltkrieg die Sommerspiele 1940 (Tokio) und 1944 (London) sowie die Winterspiele 1940 (Cortina d'Ampezzo) und 1944 (Sapporo) gestrichen.

Vorbereitung für Athleten schwierig

Zwar scheint Japan das Virus derzeit einigermaßen in den Griff bekommen zu haben, allerdings greift die Pandemie weltweit immer mehr um sich. Eine Sportveranstaltung mit rund 11.000 Athleten und tausenden Zuschauern, Betreuern und Journalisten ist aktuell daher kaum vorstellbar. "Es gibt für Viren quasi kein tolleres Fest als so eine Veranstaltung", hatte der deutsche Virologe Alexander Kekule gewarnt.

Zudem ist aufgrund der Ausgeh- und Reiseverbote in vielen Ländern eine geregelte Wettkampfvorbereitung nicht mehr gegeben, ganz zu schweigen von regelmäßigen Dopingkontrollen. Dazu kommt das Problem der Olympia-Qualifikationen, die in den vergangenen Wochen reihenweise abgesagt worden waren und in den dann verbleibenden Wochen bis in den Juli wohl nur schwierig nachzuholen sind.

Sportwelt steht wegen Coronavirus still

Olympia wäre nur ein weiteres verschobenes Großevent, wenn auch das größte. Bisher hat es unter anderem Fußball-EM, Formel-1-Rennen, French Open, Eishockey-WM und den nationalen Ligenbetrieb erwischt – die Sportwelt steht seit Wochen still. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) entschloss sich indes dazu, die Athleten in seine offizielle Haltung einzubeziehen – sie sollen für oder gegen die planmäßige Austragung der Spiele abstimmen.

Ungeachtet der Pandemie hielten IOC und Gastgeberland noch am Wochenende an den olympischen Ritualen der Spiele-Vorbereitung fest. Am Samstag kamen dichtgedrängt mehr als 55.000 Menschen zum Bahnhof Sendai im Nordosten von Japan, um das dort angekommene Olympische Feuer in Empfang zu nehmen. Dabei hatte die Regierung die Öffentlichkeit aufgefordert, große Versammlungen zu vermeiden. (APA, 22.3.2020)