Schleimpilze sind faszinierende Lebewesen. Anders als ihr Name vermuten lässt, gehören sie nicht zu den Pilzen, sondern sind Einzeller, die ihr Leben meist als Amöben verbringen. Diese können allerdings auch zu größeren Strukturen verschmelzen oder mehrzellige Verbände bilden.

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"Blob", der Schleimpilz (Physarum polycephalum) im Pariser Zoo, erreichte im vergangenen Jahr weltweite Berühmtheit.
Foto: Reuters/Benoit Tessier

Der bei Laborbiologen besonders beliebte Schleimpilz Dictyostelium discoideum wechselt bei Nahrungsknappheit von seinem Einzeller-Dasein in einen Zellverband. Die Amöben geben ein Protein an ihre Umgebung ab. Wird die Konzentration dieses Proteins zu hoch, ist das ein Signal für die Einzeller, dass zu viele von ihnen das Gebiet besiedeln.

Baut euren Turm doch alleine

Daraufhin wird ein weiterer Botenstoff ausgeschüttet, der den folgenden Prozess in Gang setzt: Die Amöben bewegen sich auf einander zu und formen einen Zellhaufen, der eine Schleimschicht absondert. Dieser Zellverband kann sich wie eine Nacktschnecke sogar fortbewegen, bevor er sich zu einem Turm in die Höhe streckt. An der Spitze bilden sich Trockenheit- und Hunger-resistente Sporen, die durch den Wind oder Insekten fortgetragen werden.

Während die Sporen anderswo neue Kolonien bilden können, sterben die anderen Zellen des Turms ab. So opfern sich die vorher allein lebenden Amöben für das Fortbestehen der Art auf. Es gibt jedoch auch Einzeller, die sich nicht an der Turmbildung beteiligen. Diese untersuchten Wissenschafter an der Universität Princeton, die ihre Forschungsergebnisse kürzlich im Wissenschaftsjournal "PLoS Biology" veröffentlichten.

Die Schleimpilz-Forschung hat an der Princeton-Universität Tradition. Dieses Video zeigt alte Aufnahmen von John Bonner. Man sieht, wie sich einzellige Amöben sich Zellhaufen zusammenschließen und sporenbildende Türme bauen.
Princeton University

Anschluss verpasst

Den Einzelgängern fehlt nicht die Fähigkeit, die Botenstoffe zu erkennen und sich am Zellverband zu beteiligen. Gibt man ihnen neue Nahrung, teilen und vermehren sie sich weiter. Ihre Nachkommen zeigen in einer erneuten Hungersituation dasselbe Turmbauverhalten wie die vorherige Generation. Die Anzahl von Einzelgängern ist dabei offenbar sowohl von Umweltfaktoren wie der Gesamtanzahl an Amöben als auch vom Schleimpilz-Stamm abhängig, also vererbbar.

In Simulationen und Experimenten konnten die Forscher zeigen, dass sich die Einzelgänger-Population von der Effizienz, mit der sich die Botenstoffe in der Umgebung verteilen, beeinflussen lässt. Möglicherweise verpassen die Einzelgänger nur den Anschluss, wenn die anderen Zellen sich zusammen schließen. Die zurückbleibenden Schleimpilzzellen haben aber den Vorteil, neu aufkommende Nahrungsressourcen nutzen zu können.

Wiederaufbau der Population

Was dieses Verhalten nun für das Überleben der Art bedeuten könnte, zeigten Versuche, in denen verschiedene Stämme des gleichen Schleimpilzes gemischt wurden. Kleine genetische Unterschiede sorgten für unterschiedlich viele Einzelgänger, während sich beide Stämme gemeinsam am Turmbau beteiligten. Nachdem neue Ressourcen zur Verfügung standen, übernahmen die zurück gebliebenen Einzelgänger von einem Stamm die Oberhand.

Einzelgänger können für eine Art von Nutzen sein. Sie können sich schneller an neue Umwelteinflüsse anpassen als große Gemeinschaften.
Foto: imago/stock&people

Welcher Stamm das Rennen gewann, hing von der Anzahl der Einzelgänger und der Dauer der Hungerperiode ab. Wenige Einzelgänger hielten länger durch als viele. Auch wenn lokal nur ein Stamm gewinnt, führt dies zu einer größeren Vielfalt im Genpool der Art, wenn an verschiedenen Standorten verschiedene Stämme den Ton angeben. Es ist daher für das Fortbestehen der gesamten Gemeinschaft von Vorteil, wenn die Einzelgänger ihr eigenes Süppchen kochen. "Zumindest für Schleimpilze wird die Entscheidung, nicht an der Gemeinschaft teilzunehmen, gemeinschaftlich getroffen", fasst Studienleiterin Corina Tarnita die Ergebnisse zusammen. (Friederike Schlumm, 30.5.2020)