Kirschblüten und Masken waren am Wochenende in Tokio zu sehen.

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Der Kontrast zu den menschenleeren Städten in Österreich könnte kaum größer sein: Unter den Kirschbäumen in Alleen und Parks saßen am Wochenende viele Japanerinnen und Japaner zum gemeinsamen Essen und Trinken. "Hanami, die Blütenschau, ist die wichtigste Sache im Jahr", freute sich ein Familienvater im Ueno-Park der Hauptstadt. Die Virengefahr halten viele für gebannt. Denn zwei Monate nach dem Ausbruch weist die Inselnation lediglich zehn Cluster mit 41 Toten und 1.012 Infizierten auf, jeden Tag kommen nur wenige Dutzend dazu.

Eigentlich müssten die Zahlen viel höher sein. Japan ist sehr dicht besiedelt, hat den weltweit höchsten Seniorenanteil und einen regen Austausch mit China. Zudem ergriff die Regierung nur zahme Gegenmaßnahmen. Schulen wurden zwei Wochen vor den Ferien geschlossen, alle Veranstaltungen wurden abgesagt. Aber Geschäfte und Restaurants blieben offen, nur relativ wenige sattelten auf Telearbeit um.

Tests nur bei schwersten Symptomen

Zunächst schürte dies den Verdacht, die Wahrheit würde, vielleicht auch mit Blick auf die Olympischen Spiele, die im Sommer in Tokio stattfinden sollen, unter den Tisch gekehrt. Das hat auch damit zu tun, dass wenig getestet wird. Trotz einer Kapazität von 6.000 Tests täglich hat Japan nur insgesamt 14.000 Abstriche geprüft, 20-mal weniger als Südkorea.

Man teste nur Patienten mit schwersten Symptomen, berichtete der Virologe Masahiro Kami vom Medical Governance Research Institute. Die Dunkelziffer sei daher wohl sehr hoch. Die Beratergruppe des Gesundheitsministeriums erklärte aber, man suche gezielt Häufungen oder Cluster, wo man dann isoliere.

Beobachter heben zwei Besonderheiten Japans hervor: Zum einen verringert das Verbeugen als Begrüßungssitte die Infektionsgefahr. Zum anderen üben die Japaner von der Kindheit an elementare Hygieneregeln ein. Daher fiel es der Gesellschaft leicht, ab Februar in den Antiinfektionsmodus umzuschalten. Überall stehen seitdem Desinfektionsmittel für die Hände. Das Tragen von Masken wurde zur Bürgerpflicht.

Schon früher verbrauchte Japan 5,5 Milliarden Mundschutzmasken im Jahr, 43 Stück je Einwohner. Neue Ware wurde rationiert verkauft. "Die Japaner haben verstanden, dass eine Covid-19-Infektion ohne Symptome bleiben kann", sagte der deutsche Manager Michael Paumen, der in Japan lebt. "Daher zieht man die Maske zum Schutz anderer an, um keine Viren zu übertragen."

Kein Notstand

Darauf, dass das hilft, sofern alle mitmachen, deutet auch die stark gesunkene Zahl der Grippekranken in den sieben Wochen seit dem Ausbruch von Sars-CoV-2.

Angesichts der Erfolge verzichtete Premier Shinzo Abe vor zehn Tagen ausdrücklich auf die Ausrufung des Notstands. Seitdem kehren die Japaner in kleinen Schritten zum normalen Alltag zurück. Viele Fitnessstudios und die ersten Freizeitparks wurden schon geöffnet. Jedoch fürchtet die Regierung eine zweite Infektionswelle.

Daher sollen zum Beginn des neuen Schuljahres Anfang April vorerst nur manche Schulen den Betrieb aufnehmen. Und es dürfen keine Bürger der Schengen-Staaten, also auch keine Österreicher, ins Land. (Martin Fritz aus Tokio, 23.3.2020)