Der Bewerbungsprozess fordere in Zeiten von Corona ein Umdenken der Firmen, sind sich Personalberater einig. Man treffe einander nun häufiger im digitalen Raum

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Das Coronavirus schüttelt auch die Branche der Personalberater heftig durcheinander. Die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit bewege einige ihrer Kunden, die Stellenausschreibungen fast täglich zu überdenken, sagt Andrea Bertl, Geschäftsführerin des Personalberatungsunternehmens Epunkt. Auch auf der anderen Seite sei Verunsicherung spürbar, es gebe auch Kandidaten, die unter dem Eindruck steigender Arbeitslosigkeit doch keinen Jobwechsel in Erwägung ziehen und lieber bleiben, wo sie sind.

Auf diverse Jobs im Finanz- und IT-Bereich habe die Corona-Krise aus jetziger Sicht allerdings weniger Einfluss. Für Stellen in der Personalverrechnung, Buchhaltung, im Controlling oder Jobs im E-Commerce-Bereich wie Onlineshop-Manager suche man nach wie vor für Unternehmen, sagt Alexandra Eperjesi-Hefner, Geschäftsführerin von Lindlpower Personalmanagement. Laufende Aufträge würden weiter geführt, berichtet auch Michael Schaumann von Stanton Chase über den Bereich der Top-Führungskräfte. Mit Neumandatierungen für Top-Level-Positionen ist man dieser Tage aber offenbar nicht gesegnet.

Der Bewerbungsprozess fordere in Zeiten von Corona ein Umdenken der Firmen, sind sich Branchenvertreter einig. Man treffe einander entweder zum persönlichen Gespräch mit viel Abstand oder eben nun häufiger im digitalen Raum. Digitalisierte Auswahlprozesse, erwartet etwa Florens Eblinger von Eblinger & Partner, würden jetzt aus Notwendigkeit heraus auch dort einziehen, wo dies noch nicht üblich war. Berührungsängste würden gerade überwunden, "man merkt, es funktioniert, und ich glaube, dass wir im Herbst Videotools weit verbreitet im Recruiting-Alltag haben werden". Eblinger fügt an: "Ich hoffe allerdings, dass man sich den Luxus des finalen persönlichen Gespräches nicht nehmen lässt." Videointerviews sind bereits für viele Personalberater und internationale Konzerne Routine, aber für viele Firmen noch Neuland, sagt Eperjesi-Hefner. Deshalb sei man hier schon unterstützend tätig – es geht ja schließlich um das künftige Geschäft.

Nicht nur Firmen müssen sich erst auf den virtuellen Austausch einstellen, auch für Jobbewerber gibt es einiges zu beachten. Ein virtuelles Interview via Skype, Microsoft Teams oder Zoom verlangt auch einiges mehr an Vorbereitungszeit als ein herkömmliches Face-to-face-Interview.

Tipps für ein Videointerview

Rechtzeitig das Profilfoto wechseln
Bekommen Sie den Termin für Ihr Videointerview zum Beispiel via Skype zugesandt, denken Sie auch an ein professionelles Profilfoto. Ein Urlaubsfoto sollten Sie auf jeden Fall gegen ein adäquates Bewerbungsfoto austauschen. Auch private Statusmeldungen sollten entfernt werden.

Technik-Check
Bevor Sie das Videointerview beginnen, stellen Sie sicher, dass sämtliche technischen Geräte, die Sie dafür benötigen, auch funktionieren. Laden Sie den Akku Ihres Laptops, richten Sie die Kamera auf das Gesicht. Es komme öfter vor, dass man nur die Stirn des Bewerbers sehe, sagt Eperjesi-Hefner. Ratsam wäre es, einen Testdurchlauf mit Freunden durchzuführen. Das nimmt auch ein wenig Stress heraus.

Outfit dem Job entsprechend
Das Setting für das Gespräch ist Ihr Wohnzimmer, aber das Videointerview ist und bleibt ein Bewerbungsgespräch. Ziehen Sie sich so an, wie Sie es auch bei einem Face-to-face-Bewerbungsgespräch tun würden.

Professionelle Kulisse auswählen
Bei der Auswahl der richtigen Kulisse für Ihr Videointerview sollten Sie so ähnlich denken, als würden Sie ein Werbevideo für Ihr Haus drehen, rät das Onlinemagazin "Undercover Recruiter". Bücher im Hintergrund gehen immer, allerdings sollten die Blicke nicht abgelenkt werden: Sie sind das Zentrum, nicht das Aquarium im Hintergrund. Achten Sie darauf, dass keine "kitschigen" Dekos oder Haushaltsgeräte wie Wäscheständer im Bild zu sehen sind. Geräusche können ebenso ablenken: Schalten Sie also nicht nur Fernseher und Radio ab, sondern verschieben Sie auch den nächsten Geschirrspülerdurchgang auf später. Auch für die optisch ansprechende Kulisse eignet sich der Freunde-Check.

Achten Sie auf nonverbale Kommunikation

  • Fokussieren Sie nicht auf Ihr eigenes Bild oder den Boden, sondern schauen Sie in die Kamera – ab und zu den Blick senken, denn Starren kommt nicht gut an.
  • Versuchen Sie, möglichst wenig zu gestikulieren.
  • Lächeln Sie, aber übertreiben Sie es nicht.
  • Stellen Sie sich am besten vor, Sie würden der Person, mit der Sie sprechen, gegenübersitzen.

Notizblock und Stellenausschreibung bereitlegen
Die Stellenausschreibung auszudrucken und neben sich hinzulegen gibt Sicherheit. Ein Block für Notizen ist ebenfalls hilfreich.

Nicht zu sehr ausschweifen
Der Vorteil eines Videointerviews: Sie können sich ganz auf Ihre Aussagen und Ihre Stimme konzentrieren. Versuchen Sie, keine Stakkato-Antworten mit weniger als zehn Worten zu geben, erzählen Sie aber auch keine Romane, rät das Onlineportal "Karriere-Bibel". Ideal wäre, wenn Sie zu jeder Frage zwischen zwei und vier Minuten sprechen. Smalltalk im Vorfeld sorgt auch beim Videointerview für eine entspannte Atmosphäre.

Entspannt bleiben
Auch bei einem Videointerview zählt: authentisch bleiben und eine Beziehung zu seinem Gegenüber aufbauen, rät Eperjesi-Hefner. Man müsse auch nicht nach der perfekten Performance streben. Denkpausen sind im ebenso okay. Vergessen Sie nicht, sich am Ende beim Interviewer für das Gespräch zu bedanken. (kbau, sl, red. 24.3.2020)