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In Mailand ist fast alles verboten – außer etwa der Gang zur Apotheke. Nun beginnen sich positive Effekte abzuzeichnen.
Foto: REUTERS/Daniele Mascolo

Bis Montagabend ist nach Angaben von Zivilschutzchef Angelo Borrelli die Zahl der Corona-Infizierten in Italien gegenüber dem Vortag um 3.780 auf 50.418 gestiegen; die Zahl der Toten stieg um 601 auf 6.077. Tags zuvor waren die Zahlen noch um 3.957 (Infizierte) beziehungsweise 651 (Tote) angewachsen. Damit sind die Fallzahlen innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Tagen zurückgegangen: Am Samstag – dem bisherigen Rekordtag – waren noch 4.821 Neuinfektionen und 793 Tote gemeldet worden.

Dank der sich abzeichnenden Entspannung kehrt im Land die Hoffnung zurück. Besonders markant ist der Rückgang in den wichtigsten Katastrophengebieten Bergamo und Brescia: Bereits am Sonntag hatten sich die Fallzahlen in diesen beiden Provinzen halbiert. Am Montag waren in der Lombardei erstmals seit Beginn der Epidemie weniger Patienten in den Krankenhäusern.

Der erste positive Tag

"Der Trend zu sinkenden Fallzahlen hat sich heute bestätigt: Wir können sagen, dass heute der erste positive Tag war", sagte Franco Locatelli, Leiter des italienischen Gesundheitsrats. Es sei zwar noch nicht der Zeitpunkt, in Siegesgesänge auszubrechen, "aber wir sehen endlich ein Licht am Ende des Tunnels". Entscheidend seien die nächsten Tage: "Wir nähern uns der zeitlichen Distanz zur Ergreifung der Quarantäne-Maßnahmen, für die wir die ersten spürbaren Auswirkungen erwarten." Das Dekret, mit dem Italien als erstes Land in Europa drastische Einschränkungen für alle Bürger verhängt hatte, war am 11. März in Kraft getreten, vor rund zwei Wochen.

Experten hatten immer darauf hingewiesen, dass es etwa zwei bis drei Wochen dauern werde, bis sich die Effizienz der Maßnahmen zeigen wird. Das liegt daran, dass vom Zeitpunkt der Ansteckung bis zum Auftreten der ersten Symptome durchschnittlich etwa sechs bis sieben Tage vergehen. Weitere fünf Tage dauert es, bis ein Patient mit Symptomen auf das Virus getestet wird – und noch einmal durchschnittlich fünf Tage vergehen, bis die Infektion im schlimmsten Fall zum Tod führt. Mit anderen Worten: Die aktuellen Fallzahlen bilden die Situation von vor 16 bis 17 Tagen ab.

Vorsichtig optimistisch zeigte sich auch Giulio Gallera, der Gesundheitsminister der Lombardei: "Die neuen Daten lassen uns hoffen – auch wenn wir noch bis mindestens Dienstag warten müssen, um von einer Trendwende reden zu können", betonte Gallera am Sonntag. Die Abnahme der Zahl der hospitalisierten Patienten in der Lombardei sei jetzt "die schönste Nachricht". Vor allem für die überlasteten Spitäler in Bergamo und Brescia bedeutete die Halbierung der Fallzahlen vom Sonntag bereits eine kleine Atempause. Wie dramatisch die Situation in diesen beiden Provinzen aber nach wie vor ist, belegt der Umstand, dass am Wochenende zum zweiten Mal Militärlastwagen mobilisiert werden mussten, um die Toten in andere Provinzen abzutransportieren.

"Carabinieri mit Flammenwerfer"

Auch für das übrige Italien käme eine Trendwende zum richtigen Zeitpunkt. Viele Italiener sind nach zwei Wochen zu Hause quarantänemüde. Der Ton in der Politik ist zum Teil autoritär geworden. Der Präsident der Region Kampanien, Vincenzo De Luca, erklärte, dass er "Carabinieri mit dem Flammenwerfer" losschicken werde, sollten sich einige Studenten weiter erdreisten, zu Hause eine Party zu feiern. Die Zeit der Solidarität und der Gesänge auf den Balkonen ist jedenfalls vorbei; stattdessen werden immer mehr Italiener zu selbsternannten Polizisten, die Jugendliche und Spaziergänger, die es wagen, sich ohne Not ins Freie zu begeben, filmen und anzeigen.

Von einem baldigen Ende der Ausgangssperre und des Shutdowns fast der gesamten Wirtschaft ist in Italien aufgrund der leichten Entspannung noch nicht die Rede. Die ursprünglich bis zum 3. April verfügte Schließung aller Schulen, Kindergärten und Universitäten ist von der Regierung bereits auf unbestimmte Zeit verlängert worden. Die Rede ist nun davon, dass der Unterricht im September wieder beginnen könnte. Und die von der Regierung am Sonntag beschlossene Schließung aller nichtstrategischen Betriebe dürfte ebenfalls länger in Kraft bleiben als bis zum 3. April. (Dominik Straub aus Rom, 24.3.2020)