Albert Uderzo (Bildmitte) mit den von ihm geschaffenen Figuren.

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Wenn man als Boomer im Europa der 1960er- und 1970er-Jahre aufgewachsen ist, führte daran nichts vorbei: Als aufgeklärter Comicleser fürchtete man zwar weder Tod noch Teufel. Als Liebhaber des Wildschweinbratens musste man sich auch keine Sorgen um den ranzigen Fisch von Verleihnix machen. Das Gekeife des ewigen Rentennörglers Methusalix oder die zur regelmäßig praktizierten Folklore zählenden Angriffe der römischen Blechtrotteln waren ebenfalls kein Thema.

Wir in unserem stolzen, aufsässigen und abseits von regelmäßigen gachzornigen Schlägereien meistens friedlichen gallischen Dorf fürchteten nur zwei Dinge: erstens, dass der Barde Troubadix ein neues, der Funktionsharmonik entgegengesetztes Lied komponiert hat. Zweitens, dass uns einmal der Himmel auf den Kopf fällt!

Gnackwatschenmönche

Texter René Goscinny und Zeichner Albert Uderzo sorgten als Schöpfer der Comic-Reihe Asterix nicht nur für eine solide Bildung bezüglich eines sozialen Umgangs mit anderen Menschen, der ähnlich wie die Lehren der Gnackwatschenmönche Bud Spencer und Terence Hill auf dem Prinzip des fröhlichen Faustrechts beruhte.

Vornehme Lateiner

Die in den historisch gut recherchierten Bänden gern lateinische Sinnsprüche zitierenden Römer sowie der sich selbst gern zitierende Gaius Julius Caesar, ja, sogar regelmäßig mit einer dystopischen Lebensweisheit auf den Lippen untergehende Piraten machten auch eines möglich: Wenn der Opa seine Landser-Hefte mit den Röntgenbrillen-Inseraten hinten drin las oder die Oma sich durch die Frau im Spiegel schmökerte, konnte man als Pimpf damit angeben, dass man aus den Schundheftln vom Asterix ja auch etwas lernen würde. Und wenn es nur "Alea iacta est", "Veni, vedi, vici", "Sic transit gloria mundi" oder irgendetwas mit "Morituri" war.

Erfunden hat diese wunderbaren Geschichten rund um Asterix, die Rabiatperle Obelix, den im Krisenmanagement gern zu Depressionen neigenden Chef Majestix und einen Dr. Feelgood namens Miraculix mit seinem "Zaubertrank" ein französisches Duo. Der 1977 verstorbene Texter René Goscinny und der Zeichner Albert Uderzo trafen sich Anfang der 1950er-Jahre in Paris.

Diese Nasen!

Goscinny galt zwar als mittelmäßiger Comic-Zeichner, allerdings als grandioser Geschichtenerfinder. Uderzo hingegen war als Entwickler und Zeichner von Charakterfiguren geradezu brillant. Der Sohn italienischer Einwanderer entdeckte früh sein Talent. Großteils autodidaktisch geschult, orientierte sich Uderzo an Vorbildern wie Walt Disney ("Diese Nasen!") oder auch an Tim und Struppi des Belgiers Hergé. Eine erhebliche und bei Männern gar nicht so seltene Rot-Grün-Schwäche sollte ihn nicht davon abhalten, gemeinsam mit Goscinny bunte Comic-Reihen mit dem Piraten Pitt Pistol oder dem Indianerhäuptling Umpah-Pah zu konzipieren.

Der große Durchbruch folgte 1959 mit dem Start der Reihe Asterix um einen kleinen unbeugsamen, obstrukten und bei Bedarf jähzornigen, schlauen Gallier: "Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt … Ganz Gallien? Nein!"

V. Chatzakis

Der Rest der Geschichten, die sich im heutigen Nordfrankreich zwischen den befestigten Römerlagern Babaorum, Aquarium, Laudanum und Kleinbonum sowie sehr gern auch im befreundeten und mit den Römern verfeindeten europäischen Ausland abspielen, ist Weltliteratur. Der Erfolg verdankt sich zu einem großen Teil auch immer wieder der Tatsache, dass Uderzo/Goscinny aktuelle Zeitbezüge einarbeiteten sowie lustvoll mit Länderklischees spielten. In 111 Sprachen und Dialekte (darunter auch Bayerisch oder Wienerisch) sind die 39 bisher vorliegenden Bände übersetzt worden, 370 Millionen Stück wurden verkauft. Man erinnere sich nur an Highlights wie Asterix auf Korsika, Asterix in Spanien, Asterix und die Normannen oder Die Trabantenstadt.

"Fluctuat nec mergitur"

Nach 24 gemeinsamen Bänden starb René Goscinny 1977. Uderzo führte die Geschäfte zehn Bände lang allein weiter. Es war nicht mehr dasselbe. 2013 hat sich Uderzo schließlich aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen. Ab Asterix bei den Pikten übernahm das junge Duo Didier Conrad und Jean-Yves Ferri. Über ihre bis dato vier Bände umfassende Arbeit kann man nur aus Asterix und der Kupferkessel zitieren:

"Fluctuat nec mergitur." (Sie mag auf den Wogen schwanken, aber sie geht nicht unter.)

Nun ist Albert Uderzo daheim in Neuilly bei Paris einem Herzinfarkt erlegen. Er wurde 92 Jahre alt. Möge Teutates mit ihm sein! (Christian Schachinger, 24.3.2020)