Richard Sorge wurde 1944 in Japan hingerichtet. Erst posthum wurden seine Verdienste anerkannt.

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Moskau – Playboy, Trinker, Spion: Richard Sorge war Geheimagent im Auftrag des Kremls. Er warnte die Sowjetunion vor dem deutschen Überfall 1941 und gab wichtige Hinweise aus Fernost. Nach seiner Festnahme wurde er von den Sowjets verleugnet und 1944 in Japan hingerichtet. Die Arte-Reportage "Stalins James Bond – Richard Sorge, der verratene Meisterspion" am Donnerstag (20.15 Uhr) geht seinem Mythos nach.

Für Sowjetdiktator Josef Stalin war Sorge im Krieg eine Schlüsselfigur in der Auslandsaufklärung, analysieren die beiden Filmemacher Danielle Proskar und Michael Trabitzsch. Schon seine Biografie mutet abenteuerlich an: 1895 wurde er als Sohn einer Russin und eines Deutschen in Baku im Südkaukasus geboren und wuchs in Berlin auf. Mit 18 Jahren meldete Sorge sich freiwillig an die Front.

Überzeugter Kommunist und Frauenheld

Doch schon bald holten ihn die Kriegsschrecken ein und er wurde zu einem überzeugten Kommunisten. Sorge – sehr geschickt als Kontaktmann und ein charismatischer Frauenheld – verschaffte sich schnell wichtige Kontakte und wurde schließlich in Moskau als Agent angeheuert. Sein Auftrag: Chinas und Japans Politik unter die Lupe nehmen.

Denn die Sowjetunion sah sich sowohl im Westen durch Deutschland als auch im Osten durch Japan gefährdet. Mit seiner kriegerischen Expansionsstrategie war Tokio eine permanente Bedrohung. Stalin brauchte zuverlässige Informationen seiner Agenten. Als Journalist getarnt, baute sich Sorge dort einen Spionagering auf – und wurde so zu einem der wertvollsten Agenten Moskaus, sagt heute der russische Historiker und Geheimdienstexperte Wladimir Chaustow in der Doku.

Sorge suchte auch verstärkt Kontakte zur deutschen Botschaft in Tokio, die ihn im Laufe der Zeit zu unglaublichen Informationen führte. Sein womöglich größter Coup: Wochen vor dem Juni 1941 funkte er Informationen über den bevorstehenden Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion nach Moskau. Aber Stalin glaubte ihm nicht und verließ sich auf seinen Nichtangriffspakt mit Nazi-Deutschland.

1944 hingerichtet

Sorge spionierte daraufhin die japanische Militärstrategie aus: Er fand schließlich heraus, dass Tokio im Fernen Osten Russlands nicht angreifen würde. Für Stalin war dies eine höchst wichtige Information. Die eingesetzten Truppen der Roten Armee waren strategisch nicht verschiebbar – eine Verlagerung in den Osten hätte dramatische Folgen gehabt.

Für Sorge endete der Auftrag des Kremls aber wenig glücklich: Er wurde in Tokio enttarnt und verhaftet. Moskau wollte jedoch keinem Agentenaustausch zustimmen – Sorge wurde 1944 in Japan hingerichtet. Erst posthum wurden seine Verdienste anerkannt: 20 Jahre nach seinem Tod verlieh ihm der Kreml den wichtigen Titel "Held der Sowjetunion", in der DDR wurden sogar Schulen nach Sorge benannt und Briefmarken mit seinem Konterfei gedruckt. (APA, 26.3.2020)