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Am Montag traf sich Mike Pompeo mit Afghanistans Abdullah Abdullah – dem Rivalen von Präsident Ashraf Ghani.

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Der zwischen den USA und den afghanischen Taliban Ende Februar abgeschlossene "Friedensvertrag" könnte daran scheitern, dass sich die afghanische Führung nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen kann – und nicht, wie eher erwartet, an etwaigen Verletzungen der Waffenruhe. Im Abkommen ist als eine der ersten wichtigen Maßnahmen die Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Taliban und einer Regierungsdelegation vorgesehen. Der wiedergewählte Präsident Ashraf Ghani und sein bei den Wahlen unterlegener Rivale Abdullah Abdullah sind nicht imstande, sich zusammenzuraufen. Abdullah erkennt seine Niederlage nicht an und hat sich ebenfalls vereidigen lassen, wenngleich nur vor seinen Anhängern.

Eine sehr ähnliche Situation war schon nach den Präsidentschaftswahlen 2014 eingetreten, und auch damals kam nur auf US-Druck eine Lösung zustande: Abdullah wurde zu Ghanis Regierungschef mit einer Sonderrolle gemacht. Während der fünf Jahre bis zu den Wahlen im September 2019 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den beiden – und ihren Anhängern – jedoch weiter. Ghani gewann auch diese Wahlen, deren Endergebnis bis Ende Februar 2020 auf sich warten ließ und von Abdullah nicht akzeptiert wurde. Die USA verlangen nun jedoch, dass die beiden eine Einheitsregierung bilden, um den Taliban als Verhandler gegenübertreten zu können.

Außenminister Pompeo in Kabul

Obwohl in Corona-Zeiten solche Besuche äußerst ungewöhnlich sind, hatte sich US-Außenminister Mike Pompeo zu Wochenbeginn spontan nach Kabul begeben, um die Krise zu lösen. Er scheiterte, wie vor ihm Donald Trumps Afghanistan-Sonderbeauftragter Zalmay Khalilzad. Von Kabul flog Pompeo weiter nach Katar zu Gesprächen mit dem Taliban-Chefverhandler Abdul Ghani Baradar. Dort versuchte er die Taliban davon zu überzeugen, beim Deal zu bleiben. Dafür muss jedoch Bewegung in den Prozess der Freilassung von 5.000 Taliban-Häftlingen kommen, die den Taliban im Abkommen zugesagt wurde und von der afghanischen Regierung ebenfalls verzögert wird.

Pompeo erinnerte zwar an das "Blut an den Händen" der Taliban, sie würden jedoch ihren Teil weitgehend einhalten. Mitreisenden Reportern sagte er laut "Washington Post", dass nicht die Taliban momentan das Hauptproblem der USA seien, sondern die afghanische Regierung. Das ist eine furchtbare Ironie der Geschichte nach mittlerweile 19 Jahren Afghanistan-Krieg, der nach 9/11 von den USA begonnen wurde, um die Taliban zu stürzen, die Al-Kaida beherbergt hatten.

Eine Milliarde Dollar gestrichen

Der spürbar verärgerte Pompeo äußerte in einer Erklärung nach dem Besuch seine Enttäuschung. Das Verhalten Ghanis und Abdullahs beschädige die US-afghanischen Beziehungen und sei eine Missachtung der afghanischen, amerikanischen und der anderen internationalen Koalitionpartner, die im Kampf um Afghanistan ihr Leben geopfert hätten. Deshalb würden die USA ihre Zusammenarbeit mit Afghanistan in allen Bereichen einer Revision unterziehen. Als erste Konsequenz werde im Jahr 2020 eine Milliarde US-Dollar Finanzhilfe gestrichen, eine weitere könnte 2021 folgen. Pompeo stellte jedoch auch in Aussicht, dass die Maßnahmen zurückgenommen werden könnten, wenn sich Ghani und Abdullah einigen.

Der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan, der für den wahlkämpfenden US-Präsidenten Sinn und Zweck des Abkommens mit den Taliban war, soll dennoch, wie im Abkommen vorgesehen, weitergehen. Auch das ist ein starkes Druckmittel: Jeder weiß, dass das Überleben der afghanischen Regierung von der Präsenz ausländischer Truppen abhängt. Militärisch sind die Taliban so stark wie noch nie seit Kriegsbeginn.

Längst hat auch das Coronavirus Afghanistan erreicht, die ersten Fälle wurden bereits Ende Februar bei Iran-Heimkehrern in der westlichen Provinz verzeichnet. Seitdem sind zehntausende afghanische Arbeitskräfte aus dem Iran, wo das Virus besonders stark wütet, nach Afghanistan heimgekehrt. Eine in Herat wegen Covid-19-Verdachts isolierte Gruppe von Heimkehrern brach allerdings aus ihrer Quarantäne aus. Die Taliban scheinen mit der Regierung in der Bekämpfung der Corona-Verbreitung zu kooperieren und in den von ihnen kontrollierten Gebieten Maßnahmen zu setzen und für Aufklärung zu sorgen, berichtete Mitte März "The National" in Abu Dhabi. (Gudrun Harrer, 24.3.2020)