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Eine schlechtere Bildqualität bei Netflix für – ja, wofür eigentlich?

Foto: DADO RUVIC / REUTERS

Ob Netflix, Youtube oder auch Neueinsteiger Disney+: Alle haben sie in den vergangenen Tagen angekündigt, die Bildqualität und so auch den Bandbreitenverbrauch ihrer Streaming-Dienste zu reduzieren. Vorangegangen war dem eine Aufforderung von EU-Kommissar Thierry Breton, der öffentlich vor einer drohenden Überlastung der europäischen Netze warnte und die Streaming-Betreiber zum Handeln aufforderte. Also: Zusammenbruch abgewehrt, großer Applaus, alle dürfen zufrieden sein? Nein, denn die Frage, ob solch ein Schritt überhaupt notwendig – oder gar sinnvoll ist –, ist längst nicht unumstritten.

Zahlen

Bei einem sind sich alle einig: Das Datenvolumen in den europäischen Netzen hat in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen. So zeigen etwa die Zahlen des Vienna Internet Exchange eine Zunahme um rund 30 Prozent. Was diese Zahlen aber auch zeigen: Der Datenverbrauch hat sich mittlerweile auf diesem Niveau eingependelt, als Argument für neue Beschränkungen taugt diese Statistik also angesichts dessen, dass die österreichischen Netze bisher die zusätzliche Last gut verdaut haben, nicht.

Der richtige Betrachtungswinkel

Was in der Betrachtung ebenfalls nicht übersehen werden darf: Diese Zahlen bilden einen täglichen Durchschnitt. In Wirklichkeit variiert die Internetnutzung aber stark über den Tagesverlauf. Die großen Spitzen zeigen sich seit Jahren verlässlich in den Abendstunden, ebenso lange ist bekannt, dass dies tatsächlich auf Streamingdienste zurückzuführen ist. Die aktuellen Zuwächse sind aber vor allem auf andere Tageszeiten zurückzuführen, wie Magenta-Pressesprecher Lev Ratner auf Anfrage des STANDARD bestätigt. Während der Arbeitszeiten sehe man derzeit rund 40 Prozent mehr Internetnutzung als bisher. Genau zu diesen Zeiten waren die Netze bisher aber ohnehin nicht ansatzweise ausgelastet, wie die Mobilfunker erst vor wenigen Wochen noch versicherten – als man unisono öffentlich betonte, dass keinerlei Probleme zu erwarten seien.

Uploads als Problem?

Wenn also schon ein Engpass zu erwarten wäre, dann bei der Upload-Bandbreite – also jenen Daten, die vom Nutzer ins Internet wandern. Dies aus zwei Gründen: In vielen Ländern – darunter auch Österreich – sind die Netze ganz auf Downloads ausgerichtet, für Upload gewährt man vergleichsweise wenig Platz. Das heißt aber auch, dass man mit einem größeren Upload relativ leicht die Leitung dichtmachen kann. Wer schon einmal File-Sharing-Clients zum Austausch von Linux-Distributionen genutzt hat, wird diesen Effekt sicher kennen. Die massive Zunahme von Videochats – wo immerhin laufend ein Videostream hochgeladen wird – könnte also zu Problemen führen. Sollte man zumindest meinen, in der Realität heißt es vonseiten des Netzanbieters Magenta aber, dass es bisher keinerlei relevante Änderungen bei der Upload-Bandbreite gebe. Im Endeffekt ist also Videotelefonie offenbar kein relevanter Faktor in der Netzauslastung.

Die Netze reagieren ohnehin

Aber es gibt noch ein paar Punkte, die Zweifel an der wirklichen Notwendigkeit der Qualitätsminderung bei den Streaming-Anbietern nähren. So wäre etwa der Umstand, dass sich diese Services ohnehin selbst regulieren. Ob Netflix, Amazon Prime oder auch Youtube – gibt es Probleme mit der Internetanbindung, wird die Qualität automatisch reduziert. Dazu kommt noch, dass in der Diskussion oft über internationale Kapazitäten geredet wird. Diese spielen in dem Fall aber meist gar keine Rolle, da große Anbieter wie Youtube oder Netflix längst eigene Server direkt bei den Providern untergestellt haben, um genau solche Probleme zu verhindern. Von den gesamten lokalen Rechenzentren dieser Firmen, die die Wege ebenfalls verkürzen, einmal ganz abgesehen. Aus den USA wird da jedenfalls praktisch kein Video gestreamt. Und dann wäre da natürlich noch der Umstand, dass die Provider auf ihrer Seite ohnehin Videostreams generell depriorisieren können, falls es trotzdem einmal eng werden sollte, wie vor kurzem klargestellt wurde.

Diplomatische Antworten

Was sagt also die Branche zu den aktuellen Maßnahmen? Maximilian Schubert, Generalsekretär der österreichischen Providervereinigung ISPA, gibt sich gegenüber dem STANDARD äußerst diplomatisch. Eine Antwort auf diese Frage sei "kompliziert". An sich sei Österreich, was die Bandbreite anbelangt, sehr gut aufgestellt. Auch habe es seit dem Inkrafttreten der Coronavirus-Vorschriften bisher keine kritische Situation für die österreichischen Netze gegeben. Dies liege aber nicht zuletzt daran, dass die Provider in den vergangenen Wochen im Hintergrund intensiv daran gearbeitet haben, um Probleme mit der steigenden Last zu verhindern.

Provider bleiben zuversichtlich

Auch die Rückmeldungen der großen heimischen Netzanbieter klingen nicht unbedingt nach einer bevorstehenden Notlage: So heißt es in einer Stellungnahme von A1 etwa, dass "die Reduktion der Streaming-Qualität (...) nicht auf unser Bestreben hin erfolgte", nur um dann anzufügen, dass natürlich solche Dienste einen Großteil des Datentraffics im eigenen Netz ausmachen. Dies ist freilich schon seit Jahren so. Jedenfalls versichert A1 auch jetzt noch, dass man "ausreichend Kapazitäten und auch Reserven im Festnetz und im Mobilfunk" habe.

Bei Magenta klingt das ähnlich: "In unseren Netzen sehen wir aktuell aber weiterhin keine Kapazitätsengpässe, durch die Maßnahme erhöhen sich aber mit Sicherheit die Reserve-Kapazitäten", formuliert man es dort. Lediglich bei "3" zeigt man sich offen erfreut über die Maßnahmen. "Wir setzen zwar laufend Optimierungsmaßnahmen, speziell in Städten, dennoch hilft es uns natürlich, wenn Netflix und Co eine Qualitätseinschränkung in Aussicht stellen. Denn sonst würden andere Dienste, die andere Kunden zur 'Prime Time' nutzen wollen, nur mit Einschränkungen zur Verfügung stehen."

Was bleibt

Zusammenfassend lässt sich aus all dem also schließen, dass die österreichischen Provider natürlich über die Maßnahmen erfreut sind, weil so die Belastung für ihre Netze zurückgeht. Das ist allerdings jetzt aber auch nicht die große Überraschung. Aus den verfügbaren Informationen eine Notwendigkeit für solch eine generelle Qualitätsreduktion zu konstruieren, scheint hingegen gewagt. Der Verdacht, dass es sich hier mehr um eine etwas überbordende politische Forderung handelt, der die großen Anbieter angesichts der aktuellen Situation aus Imagegründen nicht widersprechen konnten, liegt also nahe.

Falsche Adressaten

Bleibt noch ein Punkt, der in der aktuellen Diskussion gerne untergeht: nämlich dass ein großer Teil jener Ausfälle, über die aktuell manche Nutzer klagen, gar nicht auf Probleme bei den Providern zurückzuführen ist. Oft sind es schlicht alte WLAN-Router, die mit der steigenden Nutzung zu kämpfen haben, wie auch ISPA-Generalsekretär Schubert vermutet. Gerade im städtischen Bereich seien zudem die WLAN-Frequenzen oft schon sehr voll. Hier hilft eigentlich nur der Wechsel auf bessere Hardware. Und wenn es dann doch einmal am Provider liegt, dann steckt dahinter meist auch ein ganz anderes Problem, nämlich der mangelhafte Breitbandausbau. Dieses Problem wird sich aber auch nicht durch eine generelle Drosselung von Streamingdiensten lösen lassen. (Andreas Proschofsky, 25.3.2020)