Auch die Bürger in Skopje, Nordmazedonien, haben mit der Coronakrise zu kämpfen. Doch immerhin kommt ihre Zukunft als EU-Bürger nun näher.
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Wie erwartet haben sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten am Dienstag darauf geeinigt, dass Nordmazedonien und Albanien endlich mit den EU-Beitrittsgesprächen beginnen können, die die EU-Kommission seit Jahren empfiehlt. Zuletzt stellten sich im Oktober Frankreich und die Niederlande gegen den Beginn solcher Verhandlungen, obwohl die beiden südosteuropäischen Staaten alle Kriterien erfüllt und die EU-Staaten versprochen hatten, in diesem Fall grünes Licht zu geben.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat vor allem Sorge, dass das Thema Erweiterung innenpolitisch negative Auswirkungen für ihn haben könnte. Die Niederlande sind bereits seit vielen Jahren erweiterungsfeindlich, wenn es um die Integration der sechs EU-Aspiranten-Staaten auf dem Balkan geht. Mit Montenegro und Serbien werden seit Jahren Verhandlungen geführt, es gibt jedoch keine nennenswerten Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, die für die EU zentral ist.

Reformen ab 2017 in Nordmazedonien

Bosnien-Herzegowina und Kosovo haben noch keinen Kandidatenstatus. Nordmazedonien hat bereits seit 2005 einen Kandidatenstatus und könnte längst in der EU sein, wenn der Namensstreit mit Griechenland und die autoritäre Regierungsführung unter Nikola Gruevski bis zum Jahr 2017 das Land nicht komplett gebremst hätten. Die neue sozialdemokratische Regierung hat allerdings ab 2017 zahlreiche Reformen durchgeführt – Nordmazedonien gilt seither als Modellstaat auf dem Balkan.

Übergangspremier Oliver Spasovksi meine am Dienstag: "Heute wurde der Fortschritt unseres Landes von allen Mitgliedern der Europäischen Union anerkannt." Ohne das Namensabkommen mit Griechenland – dessentwegen das Land nun Nordmazedonien heißt – und ohne das Abkommen über gute Nachbarschaft mit Bulgarien hätte die Regierung dies nie erreicht, fügte Spasovski hinzu. Tatsächlich war das Prespa-Abkommen mit Griechenland ein Meilenstein für Nordmazedonien. "Wir können heute stolz sein", so Spasovksi. Ein genaues Datum für den Verhandlungsbeginn wurde noch nicht festgelegt.

Vier Hauptbereiche für weitere Reformen

Spasovksi meinte zudem, dass die Regierung alle Mechanismen eingerichtet habe, um den Reformprozess in den vier Hauptbereichen Justiz und Rechtsstaatlichkeit, Geheimdienstreform, Reform der öffentlichen Verwaltung sowie Bekämpfung von Kriminalität und Korruption abschließen zu können. Spasovksi hat seit Jänner die Amtsgeschäfte inne, nachdem der sozialdemokratische Premier Zoran Zaev zurückgetreten war, weil er den Weg für vorgezogene Neuwahlen im April freimachen wollte. Diese sind nun wegen der Coronavirus-Krise verschoben worden.

Zaev entschied sich für die Neuwahlen, weil der Rat der EU-Staats- und Regierungschefs, anders als versprochen, im Oktober kein grünes Licht für die Beitrittsgespräche gegeben hatte. Der neue Präsident der Südosteuropagesellschaft, der deutsche grüne Bundestagsabgeordnete Manuel Sarazzin, meinte am Dienstag: "Die Eröffnung der EU-Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien ist ein längst überfälliger Schritt. Viel zu lange haben einzelne EU-Staaten aufgrund innenpolitischer Interessen die Annäherung an die EU torpediert. Wir freuen uns für die Regierungen in Skopje und Tirana, dass ihre Reformfortschritte endlich honoriert werden."

EU-Zivilschutz für den Balkan ausbauen

Er fügte hinzu, dass in der aktuellen Coronavirus-Krise alle Westbalkanstaaten noch mehr auf europäische Unterstützung angewiesen sein. Der EU-Zivilschutz-Mechanismus solle ausgeweitet werden.

Die Blockade des Beginns der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien durch Frankreich im vergangenen Jahr hat in der Region allerdings Experten zufolge bereits Folgen. Der Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien der Universität Graz, Florian Bieber, sieht "die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Westbalkan untergraben". (Adelheid Wölfl, 24.3.2020)