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Wien – Das Covid-19-Maßnahmengesetz der Bundesregierung untersagt derzeit bekanntlich das Betreten der Kundenbereiche bestimmter Geschäfte des Handels und von Dienstleistungsunternehmen. Für die Mieter dieser Flächen bedeutet das zwar im Regelfall enorme Umsatzeinbußen, allerdings müssen sie oft für die Zeit dieses Betretungsverbots auch weniger oder sogar gar keine Miete für die Räumlichkeiten zahlen.

Mietenausfälle drohen auch Gemeinnützigen

Das trifft auch Vermieter, von denen man es auf den ersten Blick nicht erwarten würde: gemeinnützige Wohnbauträger. Sie haben insbesondere in innerstädtischen Lagen oft Geschäftsflächen im Erdgeschoß zu vermieten. Überwiegend seien das zwar Nahversorger wie Supermärkte oder Bäcker, die nun weiter offen halten dürfen, sagt Michael Gehbauer, Geschäftsführer des gemeinnützigen Bauträgers WBV-GPA und Obmann des Vereins für Wohnbauförderung. In größeren Anlagen seien aber durchaus häufig auch Unternehmen eingemietet, die nun keine Umsätze mehr haben. Gastronomiebetriebe etwa – oder auch Frisöre.

Ihren Wohnungsmietern wollen die Gemeinnützigen größtmögliche Unterstützung in Form von Stundungen oder Ratenzahlungen zuteilwerden lassen, das wurde in einer gemeinsamen Aussendung des Verbandsvorstands vom Montag betont. Dass ihnen nun aber auch aus der Gewerbeflächenvermietung Zahlungsausfälle drohen, macht die Gemeinnützigen naturgemäß wenig glücklich. Man hofft darauf, dass die Republik mit ihren milliardenschweren Hilfspaketen "die notleidenden Unternehmen so weit mit Liquidität ausstattet, dass sie weiterhin ihre Mieten zahlen können", sagt Gehbauer. Der ganze Sektor habe zwar durchaus Rücklagen, "die sind aber nicht dazu da, Unternehmen zu unterstützen".

Hilfe vom Staat könnte diesfalls auch durchaus gewährt werden. Denn noch steht nicht fest, wer aller Anspruch auf Entschädigung aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds haben wird. Ob Vermieter grundsätzlich auch dabei sein werden, bleibt abzuwarten.

Zwei Paragrafen im ABGB

Dass Mieter von Geschäftsflächen in dem Fall, dass ihr Geschäft wegen des Auftretens einer Pandemie geschlossen werden muss, keine oder nur eine verminderte Miete zahlen müssen, ist in den Paragrafen 1104 und 1105 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) geregelt und unter Wohnrechtsexperten unumstritten. Gemäß Paragraf 1104 besteht ein gänzlicher Miet- oder Pachtzinsbefreiungsanspruch, wenn "die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, also Feuer, Krieg oder Seuche (...) gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann".

Zahlen unter Vorbehalt

Manche Wohnrechtsexperten meinen sogar, dass die Mieter in so einem Fall die Zahlung der Miete komplett einstellen können. Davon raten andere aber entschieden ab: Das Nichtzahlen der Miete wäre nämlich ein Kündigungsgrund. Es wird dazu geraten, die Miete nur unter Vorbehalt zu zahlen, um allfällige Rückforderungsansprüche nicht zu verlieren.

Allerdings: Der Schluss, dass Geschäftsraummieter der von der behördlich verordneten Schließung betroffenen Betriebsstätten quasi automatisch einen gänzlichen Mietzinsbefreiungsanspruch hätten, ist nicht zulässig, darauf weist unter anderen Wohnrechtsexperte Christoph Kothbauer hin. Denn es könne ja etwa sein, dass der Geschäftsführer eines gesperrten Lokals erfolgreich auf Lieferdienst umstellt oder ein Handelsbetrieb aus den physischen Geschäftsräumlichkeiten heraus auch einen Onlineversand betreibt. Wie sehr ein Betrieb tatsächlich von der behördlichen Sperre betroffen ist, wird also wohl im Einzelfall zu prüfen sein, meint Kothbauer.

Vertragliche Abwälzung möglich

Darüber hinaus gibt es wohl auch zahlreiche Mietverträge, in denen geschrieben steht, dass grundsätzlich der Mieter das Risiko solcher "außerordentlichen Zufälle" wie eben einer Epidemie trägt. Eine solche Regelung darf wirksam vereinbart werden, darauf weist Gabriele Etzl, Partnerin bei JWO/Deloitte Legal, hin.

Nach Meinung von Kothbauer gilt diese Verschiebung der Verantwortung auf den Bestandnehmer (Mieter) allerdings nur dann, wenn sich dieser ausdrücklich dazu verpflichtet hat, nicht nur Feuer-, Wasser- und Wetterschäden auf sich zu nehmen, sondern auch "alle anderen außerordentlichen Unglücksfälle zu tragen". Und dies auch nicht per Muster-Vertragsformular, denn ein solches könnte sich wegen "gröblicher Benachteiligung" vor Gericht als unwirksam erweisen, meint der Experte.

Prozessfinanzierer wittern ihre Chance

Fest steht, dass rechtliches Neuland betreten wird, gibt es zu dem Thema doch kaum Judikatur. Die grundsätzliche Mietzinsminderungsmöglichkeit für Gewerbemieter wird aber von kaum einem Experten angezweifelt. Und so verwundert es nicht, dass nun auch mancher Prozessfinanzierer, der bisher im Altbau-Wohnsegment tätig war (Stichwort: Richtwertmieten), auch ins Gewerbesegment drängt.

Das Unternehmen Mietheld bietet nun auch Gewerbemietern mit derzeit behördlich geschlossenen Geschäftsräumlichkeiten seine Dienste an. Diese können ihre Miet- beziehungsweise Pachtverträge an Mietheld elektronisch übermitteln, dort wird dann ein Rechtsanwalt mit einer Prüfung beauftragt, heißt es in einer Aussendung. Kommt der Anwalt zur Auffassung, dass es für den Gewerbemieter nachträglich eine Mietzinsreduktion zu holen gibt, verspricht Mietheld, sich um einen Vergleich "über einen neuen, reduzierten Mietzins" bemühen zu wollen. Von der ersparten Miete verlangt Mietheld dann eine 35-prozentige Provision. "Im Falle einer Niederlage trägt Mietheld sämtliche Verfahrenskosten", verspricht Geschäftsführer Richard Eibl.

Bei manchem Mieterschützer, der das Phänomen der Prozessfinanzierer im Altbau schon seit Jahren beobachtet (es gibt mittlerweile rund ein halbes Dutzend Anbieter), sorgt das für Kopfschütteln. Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreichs (MVÖ), rät "von einer unbedachten Inanspruchnahme der Dienste solcher Firmen ab", wie er sagt. Schließlich herrsche in der Fachwelt breiter Konsens über die Mietzinsminderung. "Betroffene Mieter sollten deshalb keinesfalls voreilig Verträge oder Vollmachten unterzeichnen." (Martin Putschögl, 25.3.2020)