Ein israelischer Arzt zeigt ein Testkit – auch der Geheimdienst Mossad hat medizinisches Equipment besorgt.

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In Menschenmassen unerkannt bleiben, um dann an einem stark frequentierten Ort ein kleines Paket an geheimen Informationen abzuholen: Das wird in der Corona-Krise nahezu unmöglich. Die globalen Ausgangsbeschränkungen erschweren die Arbeit von Geheimdiensten also massiv, vor allem wenn es um sogenannte "Human Intelligence" geht. Damit ist die Nachrichtenakquise von menschlichen Quellen gemeint. Jeder Prozess ist hier betroffen: das persönliche Treffen, um Informationen einzuholen, die Weitergabe von USB-Sticks und Akten, aber auch das grundsätzliche Anwerben von neuen Informanten.

Ein Blick zurück in die Zeit des Kalten Krieges zeigt aber, dass selbst unter restriktiven Bedingungen menschliche Spionage möglich ist. Die CIA entwickelte damals eine Technik namens "Identitätstransfer", die sie in Moskau einsetzte: Ihre Agenten nahmen dabei das Aussehen ihrer Informanten an, ließen sich also deren Frisur schneiden und deren Bart wachsen. So konnten Übergaben absolviert werden, bei denen die sowjetische Überwachung ausgetrickst wurde.

Menschliche Quellen

Die Corona-Krise dürfte Nachrichtendienste dennoch hart treffen. "Für die Arbeit mit menschlichen Quellen bedeutet die aktuelle Situation eine massive Einschränkungen", sagt der Historiker Thomas Riegler im STANDARD-Gespräch. "Wie soll man beispielsweise einen Informanten, der plötzlich um Hilfe bittet, während eines Lockdowns exfiltrieren?" Riegler, der vor kurzem das Buch "Österreichs geheime Dienste" publiziert hat, weist auch auf Gefahren durch das Homeoffice hin. Dort gibt es meist keine sicheren Leitungen: "Ein beträchtliches Risiko für die Informationssicherheit." Wie hält es das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz? "Die Arbeitsprozesse wurden der aktuellen Situation angepasst", heißt es dazu kryptisch aus dem Innenministerium.

Für die andere Seite der Nachrichtengewinnung, die elektronische Spionage (SIGINT), bietet die Situation hingegen großes Potenzial: Das erhöhte Ausmaß an Videokonferenzen und Telefonaten ermöglicht es beispielsweise der NSA, noch mehr Daten abzufangen. Deshalb sollten Unternehmen einen noch größeren Fokus auf Verschlüsselung legen.

Medizinischer Geheimdienst

Nachrichten- und Geheimdienste beschäftigen sich aber auch inhaltlich mit der Corona-Krise. Dabei tut sich besonders ein obskurer US-Geheimdienst hervor: das "National Center for Medical Intelligence" (NCMI). Der zum Verteidigungsministerium ressortierende Dienst beschäftigt Virologen, Epidemiologen und Ärzte, die zuvor im US-Militär aktiv waren. Dokumente, die durch den einstigen Agenten Edward Snowden ans Tageslicht gekommen sind, zeigen, dass das NCMI beispielsweise von der NSA beliefert wurde. Die US-Lauschbehörde übermittelte offenbar abgefangene Telefongespräche und E-Mails, in denen es um die Sars-Epidemie in China oder Cholera in Liberia ging. Das NCMI erstellte dann gemeinsam mit anderen Nachrichtendiensten Lageberichte für das US-Militär.

Schon früh soll das NCMI auch vor einer Corona-Pandemie gewarnt haben. Die US-Dienste "beobachteten angeblich sogar Bewegungsmuster von wichtigen chinesischen Entscheidungsträgern – um daraus Schlüsse zu ziehen, wie ernst die Lage tatsächlich sei", erzählt Riegler. Die Warnungen an die US-Regierung blieben jedoch ohne Konsequenzen. Hierzulande wäre dafür das Heeresnachrichtenamt zuständig, das Verteidigungsministerium will zu dessen Aktivitäten jedoch keine Fragen beantworten.

Publicitywirksam agierte in der Krise der israelische Mossad: Regierungschef Benjamin Netanjahu beauftragte den berüchtigten Geheimdienst damit, 100.000 Schutzmasken zu kaufen – und zwar in arabischen und überwiegend muslimischen Ländern, zu denen Israel offiziell keine diplomatischen Beziehungen hat. Die Mission war auf den ersten Blick erfolgreich: Vergangene Woche trudelten 100.000 Schutzmasken in Israel ein. Doch die Enttäuschung folgte prompt: Der Mossad hatte die falschen Masken "besorgt". (Fabian Schmid, 26.3.2020)