Bild nicht mehr verfügbar.

Kein Publikum, kein Geld. In dieser Situation befinden sich momentan fast alle Musikschaffenden. Hilfe soll es geben, die Frage ist, ob sie ausreicht.

Foto: AP

Klaus Hoffmann erreicht man zurzeit nur zwischen Video- und Telefonkonferenzen. Der frühere Chef von Warner Music Austria betreibt die Agentur Parramatta. Er ist Manager von Acts wie Josh (Cordula Grün), Ina Regen oder der Singer-Songwriterin Pippa. Im Moment, sagt er, sei es wichtig, den Schaden so gering wie möglich zu halten.

"Wir versuchen, Konzerte zu verschieben, anstatt sie abzusagen. Aber die ganze Situation zeitigt natürlich Dominoeffekte. Es trifft Begleitmusiker und Techniker genauso. Wir durchforsten jetzt Hilfsprogramme. Die Wirtschaftskammer war eine der ersten Institutionen, die Unterstützung in Aussicht gestellt hat, aber ich kenne keinen Musiker, der bei der Wirtschaftskammer ist. Das hilft vielleicht mir als Firma, aber nicht den Musikern."

Nach der ersten Schockstarre ist die Szene ins Netz ausgewichen. Dort gibt es Wohnzimmerkonzerte im Livestream, stellen Musikerinnen und Musiker Mitschnitte oder neue Videos ins Netz. Hoffmann: "Leider geht das kaum über sympathischen Aktionismus hinaus, ein monetäres Ergebnis bleibt aus."

In den Sand gesetzt

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie bedrohen viele Kulturschaffende in ihrer Existenz. Kein Publikum, kein Geld. Die große Mehrheit der Musikschaffenden und die rund um sie Beschäftigten befinden sich in dieser Situation. In Gesprächen fällt meist das Wort Katastrophe. Konzerte müssen abgesagt, Veröffentlichungen verschoben werden. Damit sind Investitionen in den Sand gesetzt und Geldquellen vertrocknet, wenn man nicht gerade einer der wenigen Big Names ist.

Verkaufsstellen wurden geschlossen, selbst der Mail-Order-Verkauf wackelt, so es ihn gibt. Oft fallen Bestellungen weg, weil Kunden fürchten, dass die Lieferung nicht garantiert ist. Labels wiederum wissen nicht, ob sie fertige Produkte nach England, Amerika oder Japan liefern sollen, ob diese dort nicht monatelang beim Zoll hängenbleiben oder ganz verschwinden. Daneben gibt es Versuche zu retten, was zu retten ist, zu helfen, wo man kann.

Komplexe Materie

Die größte Urheberrechtsgesellschaft Österreichs ist die AKM. Sie stellt einen Kultur-Katastrophenfonds von einer Million Euro für Musikurheber zur Verfügung, "die durch signifikanten Tantiemen- oder Honorarausfall in finanzielle Not geraten und dadurch existenzielle Probleme bekommen", steht auf ihrer Homepage.

Der Verband der österreichischen Musikwirtschaft, Ifpi, hat letzte Woche mit der Verwertungsgesellschaft LSG ebenfalls eine Million Euro als Soforthilfe für Musiklabels angekündigt. Seit damals arbeitet man daran, die Bedingungen dafür zu formulieren. Die Materie ist komplex, die Betroffenen warten. "Das aufgelegte Förderungsprogramm soll die gewachsenen Strukturen der österreichischen Musiklabels wirtschaftlich stützen und erhalten, um nach Ende der Corona-Krise wieder durchstarten zu können", steht auf der Homepage. Viele hoffen, dann überhaupt noch wirtschaftlich zu existieren.

Die Seite des Music Information Center Austria (Mica) bündelt alle Informationen zu Hilfsangeboten. Es werden laufend mehr. Franz Hergovich vom Mica berichtet von vielen Anfragen, einer großen Verunsicherung und davon, dass vielen Musikern gleich mehrere Standbeine weggebrochen seien. Niemand wisse, wie lange die Situation so dramatisch bleibe, wie lange persönliche Reserven halten, so es diese denn gibt. Daneben tauchen Forderungen auf.

Sterben auf Raten

Der Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten Österreichs (VTMÖ) will, dass der ORF den Anteil heimischer Musik verdoppelt. "30 bis 35 Prozent regionale Musikproduktionen in den Sendeprogrammen sind europäischer Standard. In Österreich kommen die meisten Sender bloß auf zehn bis 15 Prozent." Der Verband fordert alle Sender zur kulturellen Katastrophenhilfe auf. Dabei will man nicht bloß mehr von den immer selben Künstlern hören, sondern "deutlich mehr Vielfalt bei der Programmierung".

Mut fordert auch Kerstin Breyer. Sie betreibt die PR-Agenturen Wohnzimmer Promotion und Donaupromotion sowie das Label Wohnzimmer Records. Zu ihren Klienten zählen Acts wie Alex Beer, Nick Cave, die EAV oder die Pet Shop Boys. Sie hofft, dass die Branche positiv bleibt und die Planungen für die kommenden Veröffentlichungen und Veranstaltungen vorantreibt: "Jetzt den Kopf in den Sand zu stecken wäre das falsche Signal."

60 Stunden pro Woche

Gleichzeitig warnt sie vor vermeintlichen Entlastungen. Die bloße Stundung und Ratenzahlung für Ein-Personen-Unternehmen (EPUs) nennt sie ein Sterben mit Verzögerung. Denn irgendwann müssten diese Raten zurückgezahlt werden. "Doch woher soll ein EPU denn plötzlich die doppelte Anzahl an Aufträgen hernehmen? Ich arbeite in starken Auftragsmonaten bis zu 60 Stunden pro Woche. Mehr geht nicht. Und das PR-Geschäft ist eines, bei dem es um persönliche Kontakte geht. Mitarbeiter zu engagieren, ist da weder praktikabel noch leistbar."

Hinter vorgehaltener Hand gibt schließlich jemand von der Unterstützerseite zu, dass die bisher in Aussicht gestellten Hilfen bei den Betroffenen bestenfalls als Taschengeld zu Buche schlagen würden. Das "Team Österreich" aber, das sei ohne die Kultur nicht komplett. (Karl Fluch, 26.3.2020)